Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 826.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
826 Methodenlehre II. Hauptst. III. Absch. 826

 Nun müssen wir gestehen: daß die Lehre vom Daseyn Gottes zum doctrinalen Glauben gehöre. Denn, ob ich gleich in Ansehung der theoretischen Weltkentniß nichts zu verfügen habe, was diesen Gedanken, als Bedingung meiner Erklärungen der Erscheinungen der Welt, nothwendig voraussetze, sondern vielmehr verbunden bin, meiner Vernunft mich so zu bedienen, als ob alles blos Natur sey, so ist doch die zweckmässige Einheit eine so grosse Bedingung der Anwendung der Vernunft auf Natur, daß ich, da mir überdem Erfahrung reichlich davon Beispiele darbietet, sie gar nicht vorbey gehen kan. Zu dieser Einheit aber kenne ich keine andere Bedingung, die sie mir zum Leitfaden der Naturforschung machte, als wenn ich voraussetze: daß eine höchste Intelligenz alles nach den weisesten Zwecken so geordnet habe. Folglich ist es eine Bedingung einer zwar zufälligen, aber doch nicht unerheblichen Absicht, nemlich, um eine Leitung in der Nachforschung der Natur zu haben, einen weisen Welturheber vorauszusetzen. Der Ausgang meiner Versuche bestätigt auch so oft die Brauchbarkeit dieser Voraussetzung und nichts kan auf entscheidende Art dawider angeführt werden; daß ich viel zu wenig sage, wenn ich mein Vorwahrhalten blos ein Meinen nennen wolte, sondern es kan selbst in diesem theoretischen Verhältnisse gesagt werden: daß ich festiglich einen Gott glaube, aber alsdenn ist dieser Glaube in strenger Bedeutung dennoch nicht practisch, sondern muß ein doctrinaler Glaube genant werden, den die

Theo-
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 826. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_826.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)