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844 Methodenlehre III. Hauptst. 844

werdet stutzig, denn, wenn es so weiter fortgeht, so wird alles in die Metaphysik gehören. Hieraus sieht man: daß der blosse Grad der Unterordnung (das Besondere unter dem Allgemeinen) keine Gränzen einer Wissenschaft bestimmen könne, sondern in unserem Falle die gänzliche Ungleichartigkeit und Verschiedenheit des Ursprungs. Was aber die Grundidee der Metaphysik noch auf einer anderen Seite verdunkelte, war, daß sie als Erkentniß a priori mit der Mathematik eine gewisse Gleichartigkeit zeigt, die zwar, was den Ursprung a priori betrift, sie einander verwandt, was aber die Erkentnißart aus Begriffen bey iener, in Vergleichung mit der Art, blos durch Construction der Begriffe a priori zu urtheilen, bey dieser, mithin den Unterschied einer philosophischen Erkentniß von der mathematischen anlangt, so zeigt sich eine so entschiedene Ungleichartigkeit, die man zwar iederzeit gleichsam fühlete, niemals aber auf deutliche Criterien bringen konte. Dadurch ist es nun geschehen, daß, da Philosophen selbst in der Entwickelung der Idee ihrer Wissenschaft fehleten, die Bearbeitung derselben keinen bestimten Zweck und keine sichere Richtschnur haben konte und sie, bey einem so willkührlich gemachten Entwurfe, unwissend in dem Wege, den sie zu nehmen hätten, und iederzeit unter sich streitig, über die Entdeckungen, die ein ieder auf dem seinigen gemacht haben wolte, ihre Wissenschaft zuerst bey andern und endlich sogar bey sich selbst in Verachtung brachten.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 844. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_844.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)