Seite:Kant Critik der reinen Vernunft V 14.png

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Vorrede.

willen über, dem Anscheine nach, so ruhmredige und unbescheidene Ansprüche wahrzunehmen, und gleichwol sind sie ohne Vergleichung gemässigter, als die, eines ieden Verfassers des gemeinesten Programs, der darin etwa die einfache Natur der Seele, oder die Nothwendigkeit eines ersten Weltanfanges zu beweisen vorgiebt. Denn dieser macht sich anheischig, die menschliche Erkentniß über alle Gränzen möglicher Erfahrung hinaus zu erweitern, wovon ich demüthig gestehe: daß dieses mein Vermögen gänzlich übersteige, an dessen Statt ich es lediglich mit der Vernunft selbst und ihrem reinen Denken zu thun habe, nach deren ausführlicher Kentniß ich nicht weit um mich suchen darf, weil ich sie in mir selbst antreffe und wovon mir auch schon die gemeine Logik ein Beispiel giebt, daß sich alle ihre einfache Handlungen völlig und systematisch aufzählen lassen; nur daß hier die Frage aufgeworfen wird, wie viel ich mit derselben, wenn mir aller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe.

 So viel von der Vollständigkeit in Erreichung eines ieden, und der Ausführlichkeit in Erreichung aller Zwecke zusammen, die nicht ein beliebiger Vorsatz, sondern die Natur der Erkentniß selbst uns aufgiebt, als der Materie unserer critischen Untersuchung.

Noch
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite (14). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_V_14.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)