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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

darein, wenn man sie mit der Nase auf Alles stößt, was Jeder selbst finden kann. Wer aber die Fähigkeit der eigenen Wahl in sich spürt, der wird lieber freiwillig das Unrechte, als gezwungen das Rechte ergreifen.“ So war Selbstbestimmung ihm Bedürfniß und Gesetz. Er wollte eine Person für sich sein, und grade alle diese Seiten seines eignen Wesens und Strebens im Katzenfingen poetisch verklären. Feine Beobachtung, freier politischer und geistiger Blick vereinigen sich in diesem Gedichte mit dem übermüthigsten Witze, dem liebenswürdigsten Humor und der graziösesten Form. „Mein Model war ein Lieutenant v. Sch.....g – erzählte mir Solger einmal – ein prächtiger jovialer Kerl, mit welchem ich in Potsdam zusammen wohnte und täglich von unseren Fenstern aus das erste Garderegiment exerzieren sah.“ Eine bessere Zeichnung von einem alten preußischen Obersten als die von Hans’ Vater, und zwar in wenigen Versen, läßt sich gar nicht denken. Die ersten beiden Gesänge erschienen in „Deutsches Taschenbuch aus der Schweiz“ 1845 und 1846, und erregten das größte Aufsehen. Man zerbrach sich lange in Deutschland den Kopf über den Verfasser. Einige hielten Prutz dafür, der zu jener Zeit grade die „Politische Wochenstube“ gedichtet hatte. Dieser antwortete, er würde sich freuen, wenn er einer solchen Leistung fähig wäre. Leider blieb Solger bei den ersten beiden Gesängen stehen, in deren letzten er den leichtsinnigen, jungen Offizier, welcher der romantisch pietistischen Strömung jener Zeit folgte, zum Gnadendurchbruch gelangen und dadurch seine nächste Zukunft sicherstellen läßt. „Es gehört der lebendige Gegensatz zwischen der engen Potsdamer Atmosphäre und der freien englischen Luft dazu, um derartige Gestalten hervorzubringen“, meinte er später mit Recht, und grade weil der zweite Gesang später als der erste geschrieben war, wo sich dieser Gegensatz schon mehr verwischt hatte, hielt er von ihm auch viel weniger als vom ersten. Es ist charakteristisch für Solger und seinen gänzlichen Mangel an jeder Schriftstellereitelkeit, daß er in Amerika kein Exemplar des Katzenfingen besaß. „Auch so eins der ante-diluvianischen Kinder meiner Muse“, pflegte er sarkastisch lächelnd zu antworten, wenn man ihn danach fragte, „dem ich zuletzt im Jahre 1848 in Berlin begegnet bin.“ Ueberhaupt konnte es kaum einen Schriftsteller geben, der weniger eitel und sich klarer über sein Können oder Nichtkönnen gewesen

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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_359.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)