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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

1853, nach den Vereinigten Staaten auszuwandern. Er landete in Philadelphia, von wo er im Herbste 1853 bereits nach Boston übersiedelte. Hier, resp. in Roxbury behielt er seinen Wohnort bis zum Frühling 1861, wo er nach New-York kam, welches er im Winter 1862–63, zum Schatzamtsbeamten ernannt, mit Washington vertauschte. Es ist eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß derselbe Mann, der immer arm war und stets mit den Sorgen des Lebens zu kämpfen hatte, im Schatzamt die Aufgabe zugewiesen erhielt, die damals grade massenhaft ausgegebenen Vereinigte-Staaten-Obligationen durch seine Unterschrift zu gesetzlichen Schuldtiteln zu machen. Die ganze dritte Serie der sogenannten Fünfzwanziger, mehr als 100 Millionen Dollars, sind von ihm unterzeichnet. Ich besuchte ihn öfter bei seiner rein mechanischen Arbeit, während welcher er mir aus dem Homer, Sophokles, Shakespeare, Schiller oder Göthe deklamirte oder bewies, daß Cartesius Recht gehabt habe, daß man im Lärm der Welt, an der Börse am ungestörtesten seinen Gedanken Audienz geben könne. Er hatte dort – um an dieser Stelle gleich seine äußeren Lebensschicksale zu Ende zu erzählen – etwa anderthalb Jahre lang als Hilfsregistrator gearbeitet, als ihn Mitte April 1864 ein Schlaganfall auf der ganzen rechten Seite lähmte und dem Grabe nahe brachte. Erst allmälig erholte er sich wieder; indessen genas er nur theilweise, und auch eine längere Kur, welcher er sich vom Januar bis Juni 1865 in Boston unterwarf, blieb erfolglos. Den Gebrauch der Sprache fand er nur theilweise und höchst mangelhaft wieder. Französisch und Englisch, zwei Sprachen, die er natürlich sich später erst angeeignet, aber vollkommen beherrscht hatte, vergaß er ganz; er vermochte seit April 1864 nur kurze deutsche Worte zu sprechen. Am 11. Januar 1866 traf ihn um 10 Uhr Abends ein erneuerter Schlaganfall, der seinem Leiden ein Ende machte. Am 13. Januar haben sie unsern Freund in Washington begraben.

Solger hatte, um zum Schlusse seine wissenschaftliche und politische Thätigkeit in ein paar Worten zusammenzufassen, einen großen Vorzug vor den übrigen deutschen Flüchtlingen: er las, sprach und schrieb das Englische ebenso fließend und elegant, wie die Eingeborenen des Landes. „He uses the English language – meinte ein bedeutender Dichter Neu-Englands – with an idiomatic correctness, power and elegance,



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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_365.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)