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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

nennt, und woran alles geistige und sittliche Streben an der Wurzel verdorrt.

Geben Sie Gedankenfreiheit! – Ich fordre sie wie Marquis Posa von Philipp, als Weltbürger – und zwar als ein Weltbürger, der sein persönliches Schicksal, seine Gegenwart wie seine Zukunft an die Gegenwart dieses Landes geknüpft hat. In diesen Boden hat sich mein Herz mit allen seinen Fasern eingesenkt; hier ist die Luft, welche meine Hoffnung athmet – von der sie leben oder an der sie ersticken muß. Und hier, wenn es hier nicht noch dahin kommt, daß jeder Athemzug des Volkslebens zur Apologie des Unendlichen wird, so ist die ganze Pracht und Herrlichkeit nichts als übertünchte Gräber. Bei dem Gedächtniß Schiller’s, der ob zwar Channings Bruder im Geiste, dennoch Göthe’s Freund und Herzensverbündeter war: Geben Sie Gedankenfreiheit!“

Ein nicht so unbedingte Anerkennung verdienender Erfolg dagegen war sein „Anton in Amerika“, jener Roman, welchen Solger auf das Preisausschreiben des Eigenthümers des „Belletristischen Joumals“ für die beste Novelle aus dem deutsch-amerikanischen Leben einreichte und welchen die Preisrichter einstimmig vor dreiundzwanzig Mitbewerbern krönten. Die Auffassung und der eigentliche Entwurf sind vortrefflich; die Ausführung aber ist vielfach flüchtig, oft unmotivirt und ungleich gearbeitet, während man sich mit den Gesichtspunkten und Zielen des Dichters unbedingt einverstanden erklären muß.

Die Aufgabe, das deutsch-amerikanische Leben oder doch ein Stück desselben darzustellen, ließ sich mehr oder weniger äußerlich, mehr oder weniger innerlich fassen. Die höchste Art aber, sie zu fassen, war die, die Spannung aus dem innerlichen Konflikte der deutschen und amerikanischen Bildung herzuleiten und die Versöhnung als Versöhnung der Bildung zu zeigen. Die beiden Regeln für den Dichter waren dabei, diesen innerlichen Konflikt in anscheinend zufälligen, die Phantasie des Lesers angenehm beschäftigenden und die psychologische und philosophische Anatomie verdeckenden Ereignissen zum Ausbruch und zur Versöhnung zu bringen, dann aber dabei die amerikanischen und deutsch-amerikanischen Gesellschaftsverhältnisse gewähren zu lassen, wie sie wirklich sind, ohne Deutelei und Zwang, wozu natürlich völlige Vertrautheit mit den Dingen und weltmännische Auffassung der Verhältnisse gehörte. In



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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_374.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)