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Aufsatz in den „Graphischen Künsten“ VI, Wien 1884, S. 81–88 und Woltmann „Holbein“ 2. Auflage I, S. 428 f. und II, S. 124. – Phot. Braun XI, 10.

Die Madonna des Bürgermeisters Meyer. 1892. (1885.) N 1.

In einer oben mit einer Muschel im Halbrund geschlossenen Steinnische steht Maria auf persischem Teppich. Sie trägt ein dunkelgrünes Kleid mit goldbrokatenen Unterärmeln und einer roten Gürtelschärpe. Eine goldene Krone über herabfallendem blonden Haare schmückt ihr Haupt. Im Arme hält sie das nackte Christkindchen. Zu ihren Füssen kniet der Stifter, der Basler Bürgermeister Jakob Meyer, mit seiner Familie: links er selbst, vor ihm seine beiden Söhne, von denen der ältere, farbig gekleidete, den jüngeren, der nach damaliger Kindersitte nackt dasteht, mit beiden Händen festhält; rechts, der Madonna zunächst, des Stifters 1511 verstorbene erste Gattin Magdalena Baer, weiter vorn seine zweite Gattin Dorothea Kannegiesser und deren Tochter Anna. Die letzteren beiden halten Rosenkränze in den Händen. Das Original war ein Votivbild. Der katholische Bürgermeister liess es um 1526 malen, um dadurch sich und die Seinen in der protestantisch werdenden Stadt dem Schutze der heil. Jungfrau zu empfehlen.

Eichenholz; h. 1,59 ½; br. 1,03. – 1743 durch Algarotti aus dem Besitze des Zuan Delfino in Venedig als das Original von der Hand Holbein’s, welches als Hauptwerk dieses Meisters schon durch Sandrart und andere alte Quellen beglaubigt worden. Seit jedoch ein zweites Exemplar auftauchte, welches sich gegenwärtig im Besitze der Frau Prinzessin Karl zu Darmstadt befindet, wurde ein lebhafter Streit darüber geführt, welches das Original sei. Selbst die Holbein-Ausstellung zu Dresden im Jahre 1871 konnte den Streit nicht vollständig schlichten. Zwar wurde infolge dieser Ausstellung, welche beide Bilder neben einander zu sehen ermöglichte, die Ansicht, dass das Darmstädter Exemplar das erste Original Holbein’s sei, ganz allgemein, auch von H., angenommen; manche, unter ihnen H., glaubten aber daran festhalten zu dürfen, dass das Dresdener Bild eine Wiederholung von des Meisters eigener Hand sei. Gegen diese einem derartigen Votivbilde gegenüber von vornherein unwahrscheinliche Ansicht sprechen aber so viel äussere und innere Gründe, für welche die von der Holbein’schen Malweise ganz abweichende, auf eine spätere Zeit deutende, mit grünlichen Schatten und hellen Lichtern arbeitende Technik unseres Bildes in erster Linie in Betracht kommt, dass die deutsche Kunstwissenschaft sich so gut wie einstimmig dafür entschieden hat, in unserem Bilde nur eine Copie zu sehen, welche wahrscheinlich der Amsterdamer Kunsthändler, der das Bild um 1637 von den Erben des Bürgermeisters Meyer kaufte, absichtlich anfertigen lassen, um zwei Exemplare statt eines in den Handel bringen zu können. In der That lassen beide Exemplare sich nach Amsterdam zurückverfolgen, während wir nur von einem hören, welches dorthin verkauft worden. – Der Verfasser dieses Kataloges hat seine hiermit übereinstimmende Ansicht schon 1871 ausgesprochen, dann in Woltmann’s und seiner „Geschichte der Malerei“ (II, 1882, S. 470) nochmals betont und in seinem Texte zu Brauns Galeriewerke 1884, II, S. 69–76 ausführlich begründet. Hier sei nur noch

Empfohlene Zitierweise:
Karl Woermann: Katalog der Königlichen Gemäldegalerie zu Dresden (1887). Generaldirection der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, Dresden 1887, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Karl_Woermann_Katalog_der_Gem%C3%A4ldegalerie_Dresden_1887.pdf/631&oldid=- (Version vom 14.9.2022)