Seite:Keller Gotthelf 106.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

geworden, und er weiß mit fester Hand ein Haus zu führen. Ist er nun fertig? Nein! Jetzt kommt er erst in die Jahre, wo der Mensch Gefahr läuft, in die gröbste Selbstsucht und Engherzigkeit zu versinken, über Arbeit und Sorge alle höhere Bedeutung seines Wesens zu vergessen, mit Einem Wort: zum Philister zu werden. Uli, von Natur aus ängstlich und kurzsichtig, verliert sich in die ärgste Klauberei, und die Sucht, reich zu werden, quält ihn unaufhörlich. Obgleich er weiß, daß gute, obgleich theuere Knechte nützlicher sind als schlechte und wohlfeile, so hat er doch keine Ruhe, da es nun auf seine eigene Rechnung geht, bis er sein vertrautes solides Gesinde, welches er sich selbst mit großer Mühe herangezogen, verdrängt und wohlfeiles fahrendes Gesindel angestellt hat, in der Hoffnung, dasselbe bald für wenig Lohn ebenso wohl ausnutzen zu können wie jene guten Knechte. Er verwickelt sich in jenes ungerechte, schmutzige Proceßführen, welches, da es leider keine Schande ist, die Bauern leidenschaftlich betreiben, so lange sie triumphiren können. Seine liebsten Freunde sind Schwätzer und Ränkeschmiede, welche ihn aussaugen, während er glaubt, bei ihnen ein grundgescheiter Kerl zu werden. Daher geht es überall schief; er wird mürrisch und unzufrieden, und ist gar nicht im Stande, sich seiner Errungenschaft zu freuen. Seine liebenswürdige und grundtüchtige Frau redet ihm vergeblich zu, von diesem eiteln Treiben abzulassen: es entsteht ehelicher Kummer, obgleich von der edlern und feinern Art; denn die gute Gesellschaft, welche bis unter einen gewissen Punkt nie herabsinkt, verbreitet sich durch alle Stände und ist in den niedern Regionen ebenso oft zu finden als in den hohen. Auch versteht Gotthelf trefflich, ihre feinen Sitten zu schildern. Man lese nur,

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)