Seite:Keller Gotthelf 115.jpg

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es sich einmal darum handelt, in der gemeinen Wirklichkeit eine schönere Welt wiederherzustellen durch die Schrift. Gotthelf’s Scheu vor den Volksspielen mag es auch erklären, warum man in seinen sonst so ausführlichen Erzählungen nirgend eine Spur vom Volksliede findet. Auerbach hat dieß Element reichlich ausgebeutet, und die leichten schwäbischen Liedlein klingen lustig durch Wald und Flur; auf der einsamen Feldhöhe sind sie der Ausdruck für Wohl und Weh. Gotthelf hätte uns mit wahren Kabinetsstücken aufwarten können; denn im Bernervolk sind uralte Lieder mit den prächtigsten Mollmelodien gang und gäbe, Lieder, welche die Zierde des „Wunderhorn“ und von Uhland’s Sammlung sind, zum Theil auch noch nicht einmal darin stehen. In diesem Punkt ist aber das tausendjährige Volk dem konservativen Literaten von heute wahrscheinlich zu modern und zu weltlich.

Wenn ein tüchtiges Gewitter im Anzug ist, so sieht man in den weiten Bernischen Matten wunderliche Gestalten herumhantiren; es sind die Wässerbauern, welche, in uralte Röcke und Hüte gekleidet, dem zu erwartenden reichlichen Wassersegen Weg und Bahn durch ihre Wiesen bereiten. Gotthelf sagt:

Das hat wohl auch zu der Sage Anlaß gegeben, daß, wer ein Frohnfastenkind sei, vor dem Ausbruch der heftigsten Gewitter alte längst verstorbene Wässerbauern, welche sich gegenseitig um’s Wasser betrogen, in den Wiesen wässern sehe, Graben aufthun, Bretter einschlagen, dann stehen hinter diesem oder jenem Strauch oder Baume, Feuer schlagend und ihr Pfeifchen rauchend. Man denkt dabei nicht an die Sitte der rechten Wässerbauern, die alten, hundertjährigen währschaften Röcke ihrer Großväter anzuziehen, und uralte Hüte aufzusetzen, da modernes Zeug in’s Wasser hinaus nichts taugt. So sieht man 
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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_115.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)