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III.[1]
(1852)

Das politische Leben der Schweiz hat lange vor 1848, und als man noch keine Ahnung von der Möglichkeit eines Redwitz in Deutschland empfand, die konservativen und reaktionären Parteien die Brauchbarkeit der Belletristik einsehen lassen, und zu einer Zeit, wo Freiligrath’s und Herwegh’s gereimter Handschuhwechsel noch ganz vereinzelt dastand, besaßen die Schweizer schon umfangreiche poetische oder vielmehr unpoetische Manifeste, welche mit geharnischtem Zorn gegen den Radikalismus auftraten. Es war beiläufig gesagt sonderbar, daß diese „Dichter“ vorzüglich auch gegen die unpoetische Tendenz der radikalen Poesie auftraten und doch wieder diese ihre Tendenz gegen die Tendenz zum nachhaltigen Gegenstand ihrer Ergüsse machten. Diese doppelte Ableitung kommt indessen heute noch vor und ist zuletzt allerdings die allertrockenste und poesieloseste Tendenz. Vorzüglich Fröhlich, der Fabeldichter, nach Bitzius das intensivste und kernigste Talent der poesiebeflissenen Schweiz, warf in den wiederholten Auflagen seines „Jungen Deutschmichels“ einen Regen von Invektiven gegen das eingewanderte Fremdenthum, wobei indessen der Schweizer, die dazumal in einem harten Ringen um ein erneutes eidgenössisches Princip begriffen waren, nicht geschont wurde; vorzüglich war es auf das eidgenössische Festleben, auf das Pokuliren und Toastiren, Schießen und Singen abgesehen; und die eidgenössische


  1. Blätter für literarische Unterhaltung 1852 Nr. 47. (Besprechung von „Zeitgeist und Berner Geist.“ Berlin, Springer. 1852.)
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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)