Seite:Keller Gotthelf 154.jpg

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und Liberalen schuld seien. Sehen wir ab von dieser Modifikation, welche wir mit der apokryphischen Einmischung des Teufels im „Hiob“ vergleichen können, so stellen Bitzius’ Werke vollkommen ein umgekehrtes Buch Hiob dar, worin die drei streitenden Freunde mit ihrer Kritik Recht behalten, und zwar zu dem Zwecke, die liberale Hälfte der specifisch Bernerischen Bevölkerung mit ihren Führern zu verdammen und zu stempeln. Aber der Weg, auf welchem der Dichter an dieß komische kleine Zielchen gelangt, ist ein so schöner und reicher, daß er ein Genuß und Gewinn für uns alle ist, und darum sei ihm verziehen.

V.[1]
(1855)

Seit obige Zeilen geschrieben sind, ist die unerwartete Nachricht von dem schnellen Tode Jeremias Gotthelf’s (22. Oct. 1854) eingetroffen. Obgleich wir die aufrichtigste Theilnahme empfinden an diesem unersetzlichen Verluste und obschon man über einen Todten anders spricht wie über den rüstig Lebenden, so mag doch obige Expektoration unverändert stehen bleiben, da das Buch, gegen welches sie zum Theil gerichtet ist, mit seiner vehementen muntern Polemik ja auch noch da ist und vermöge seiner Vorzüge wohl länger bestehen wird als unsere flüchtigen Tadelzeilen. Wer sich bewußt ist, unparteiisch zu sein, der braucht weder gegen Todte noch gegen Lebende eine wohlfeile Pietät hervorzukehren.


  1. Zusammen mit IV. a. a. O.
Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)