Seite:Keplers Traum 014.jpg

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„Als ich in der ‚Optik‘ die Meinung Plutarchs von den Mondflecken anführte, trug ich kein Bedenken, ihm zu widersprechen und umgekehrt in den Flecken feste, in den hellen Theilen flüssige Materie anzunehmen, worin mir Wackher[1] lebhaft beistimmte. Diesen Fragen gab ich mich im vorigen Sommer so sehr hin (ich denke, weil die Natur durch mich dasselbe, wie bald nachher durch Galilei erreichen wollte[2]), dass ich Wackher zu Gefallen auch eine neue Astronomie, gleichsam für Mondbewohner, sowie eine völlige Mondgeographie schuf.“

Hiernach wird Kepler den Text unseres Buches ungefähr um das Jahr 1609 vollendet haben. Dieser enthält auf wenigen Quartblättern in kurzen Umrissen diejenigen astronomischen Erscheinungen, welche ein Beobachter auf dem Monde haben würde. Mit der Absicht ausgeführt, sich und seinen Freunden die Lehre des Copernicus[3] in all’ ihren Consequenzen klar zu machen und sich dadurch, dass er im Geiste einen ausserhalb der Erde befindlichen Standpunkt wählte, von der Augentäuschung der scheinbaren Bewegungen zu befreien, diente er zunächst wohl nur dem Zwecke der Selbstbelehrung. Das macht es wenigstens verständlich, dass Kepler nach der Vollendung in seinen Schriften des ‚Traums‘ lange Zeit nicht erwähnt, ausser dass er hin und wieder in kurzen Andeutungen darauf Bezug nimmt. Erst im Jahre 1620 beginnt er wieder, sich mit seiner Jugendarbeit zu beschäftigen und wir erfahren durch einen Brief vom 4. Dc. 1623 aus Linz an Bernegger[4], welche Pläne er damit vorhat: „Meine Astronomie des Mondes“, schreibt er, „habe ich, als ich vor zwei Jahren nach Linz zurückkehrte, umzuprägen oder vielmehr durch Zusätze zu erläutern begonnen. Doch wartete ich vergebens auf das griechische Buch Plutarchs ‚vom Gesicht im Monde‘[5], welches man mir von Wien versprach aber nicht schickte.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_014.jpg&oldid=- (Version vom 25.6.2019)
  1. Wackher v. Wackenfels, Kaiserl. Rath, Keplers besonderer Gönner.
  2. Kepler spielt hier auf die grossen Entdeckungen Galileis an: die der Jupitertrabanten, der Phasen der Venus u. s. w. im Jahre 1610, welche Galilei in dem Sternboten veröffentlicht hatte.
  3. Nicolaus Copernicus, berühmter Theologe und Astronom, geb. 1473 zu Thorn, gest. 1543 zu Frauenburg; Begründer des nach ihm benannten Weltsystems: Sonne in der Mitte, alle Planeten bewegen sich in Kreisen um die Sonne. – Die meisten Bücher haben ‚Copernicus‘, richtiger ist ‚Coppernicus‘; s. auch: Dr. L. Prowe, ‚Zur Biographie von Nicolaus Copernicus‘, Thorn, 1853.
  4. Matthias Bernegger, geb. 1582 zu Hallstatt i. Oberösterr.‚ gest. 1640 zu Strassburg, Professor der Geschichte und Beredsamkeit daselbst. Bernegger war der liebste Freund Keplers.
  5. Das hier in Rede stehende Buch: ‚De facie in Orbe Lunae‘ hat Kepler in lateinischer Uebersetzung seinem Traum als Beigabe angefügt.