Seite:Keplers Traum 018.jpg

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Satyre auf seine Zeit, „eine beissende Schilderung der Gebrechen des damaligen Menschengeschlechts in Kunstausdrücken verhüllt.[1] Wer das meint, der lese u. A. blos die Widerlegungen der Mästlinschen Beweise für die Mondatmosphäre [N. [223]] und die Thesen zum Appendix [s. App. N. [I]] und bleibe dann meinetwegen bei seiner Meinung!

Wohl war es Keplers Absicht, die cyklopischen Sitten seiner Zeit, d. h. die einäugigen Ansichten derer, die nicht mit offenen Augen sehen wollen, sondern fanatisch und immerfort am schalen Zeuge des Althergebrachten kleben, zu geisseln, und zumal in der poetischen Einleitung bringt er diese löbliche Absicht in geistsprühender Weise zur Ausführung, aber in der Hauptsache ist das Buch eine in schönste Form gekleidete, eminent astronomische Offenbarung, das hohe Lied der copernicanischen Lehre!

Auch in wissenschaftlichen Werken findet man nur wenige Andeutungen über das ‚Somnium‘ und auch diese erstrecken sich meist nicht viel über die Angabe des Titels; am meisten giebt noch Kästner[2]; Frisch[3] bringt eine Einleitung, worin er schöne, lobende Worte der Anerkennung findet, doch ist sie, wie das Werk selbst, lateinisch geschrieben. Um so angenehmer berührt es, wenn man in streng wissenschaftlichen sowohl wie populären Schriften von Siegmund Günther[4] und Ed. Reitlinger[5] den Werth des ‚Somnium‘ voll und ganz gewürdigt sieht; ich habe diesen Büchern manche Anregung zu verdanken.

Das ganze Werk nun zerfällt in 3 in gleich genialer Weise durchgeführte Abschnitte: den eigentlichen Traum, den Kepler fingirt, um auf den von ihm gewünschten Standpunkt zu gelangen und welcher gleichsam den poetischen Rahmen bildet, die Allegorie zur Verherrlichung der Astronomie des Copernicus und die eigentliche Mond-Astronomie einschliesslich der Selenographie im Appendix. Kepler giebt uns eine methodische Untersuchung aller die wechselseitigen Beziehungen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite XIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_018.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. ‚Johann Kepplers Leben und Wirken nach neuerlich aufgefundenen Manuscripten‘ bearbeitet von J. L. C. Freiherrn v. Breitschwert, Stuttgart 1831. S. 174.
  2. A. G. Kästner, ‚Geschichte der Mathematik‘, Göttingen 1800. IV., S. 306 ff.
  3. J. Kepleri Opera Omnia‘ ed. Dr. Ch. Frisch, Frankfurt a. M. 1870. Vol. VIII. P. I. S. 23 ff. [Dieses Werk werde ich ferner stets K. O. O. citiren.]
  4. Dr. Siegmund Günther: ‚J. Kepler und der tell. kosmische Magnetismus‘. Wien und Olmütz 1888. An vielen Stellen. Ders.: ‚Kepler (Geisteshelden)‘, Berlin 1896. desgl.
  5. Edmund Reitlinger: ‚Freie Blicke‘, Populär wissenschaftliche Aufsätze. Berlin 1877, S 149 ff.