Seite:Keplers Traum 020.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

durch die Lektüre des Commentars des Erasmus Reinhold[1] zu den Theorien des Purbach[2], welche er im Jahre 1595 zu Graz betrieb, geführt wurde.

Auch nach Kepler stossen wir vielfach auf Schilderungen, welche sich mit Reisen nach fernen Himmelskörpern befassen. Wenn ich auf einige dieser Schriften kurz eingehe, so geschieht es, um zu zeigen, wie weit sie gegen die geniale, poesievolle Auffassung unseres Kepler zurückbleiben. Ich denke auch, wer seinen ‚Traum‘ ganz verstehen will, der muss auch die Gegensätze kennen lernen.


Da ist zunächst Cyrano-Bergerac[3], dessen ‚Reise in den Mond‘ dadurch besonders merkwürdig ist, als dabei die Principien der Luftschifffahrt vorausgesetzt werden. In Cyranos Geschichte, die wir zweifellos satyrisch auffassen müssen, ist die treibende Kraft für die Beförderung auf den Mond eine Anzahl mit Morgenthau gefüllter Phiolen, welche, von der Wärme der Sonnenstrahlen angezogen, den Luftschiffer mit rasender Schnelligkeit an das Ziel seiner Sehnsucht bringt. Der Pater Kircher[4] besuchte als Seele, von einem Engel geführt, die Gestirne, und beschreibt in seiner ‚Ecstatischen Reise‘ mit ungezügelter Phantasie ebenso kühne wie abgeschmackte Resultate, und Fontenelle[5] hat uns in seinen ‚Unterhaltungen über die Mehrheit der Welten‘ Träumereien über die Zustände auf anderen Himmelskörpern hinterlassen, worin einige astronomische Gegenstände mit Anmuth, doch ohne wissenschaftlichen Werth, vorgetragen werden.

Wenn auch die Untersuchungen Huygens[6], die er uns in seinem ‚Weltbeschauer‘ über die fernen Weltkörper giebt, ungleich bedeutender

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite XVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_020.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Erasmus Reinhold, geb. 1511 zu Saalfeld, gest daselbst 1553 an der Pest. Von 1536–53 Professor der Mathematik in Wittenberg.
  2. Georg, gen. Purbach, geb. 1423 zu Peurbach in Oberösterr., gest. 1461 in Wien. Professor der Mathematik und Astronomie daselbst. Er bearbeitete den Almagest; seine ‚Theoriae novae planetarum‘ ist eine Art Einleitung in die griechische Planetentheorie.
  3. Sovinien de Cyrano-Bergerac, französischer Schriftsteller, geb. 1620 zu Paris, gest. daselbst 1655. Sein Werk: ‚Histoire comique des états et empires de la lune‘ erschien 1649.
  4. Athanasius Kircher, ein vielseitiger Gelehrter, geb. 1601 zu Geisa, gest. 1680 in Rom. Er war auch Physiker. Werk: ‚Iter ecstaticum coeleste‘.
  5. Bernard le Bovier de Fontenelle, geb. 1657 zu Rouen, gest. 1757, Dichter und universeller Gelehrter. Sein Werk ‚Entretiens sur la pluralité des mondes‘ erschien zuerst 1686, später deutsch mit Anmerkungen.
  6. Christian Huygens, Physiker und Astronom, geb. 1629 im Haag, gest. ebenda 1695. Sein Werk ‚Cosmotheoros‘ wurde erst nach seinem Tode, 1698, zuerst gedruckt, erschien 1767 deutsch unter dem Titel: „Weltbeschauer oder vernünftige Muthmassungen“ u. s. w.