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Eigenthum übergab, damit sie ihres Verdienstes nicht verlustig ginge. Dieser segelte am folgenden Tage unverhofft ab und steuerte unter günstigem Winde auf Bergen in Norwegen zu. Nach einigen Tagen erhob sich ein starker Nordwind, der uns gegen Dänemark trieb. Als das Schiff durch den Sund lief, wo Briefe des Isländischen Bischofs an den Dänen Tycho Brahe, der die Insel Hveen15 bewohnte, abzugeben waren, erkrankte ich heftig infolge des Schüttelns und der ungewohnten Wärme der Luft16, denn ich war noch ein Jüngling von 14 Jahren. Der Schiffer setzte mich deshalb, nachdem er gelandet, mit den Briefen bei einem Fischer der Insel ab, machte mir Hoffnung auf baldige Rückkehr und segelte davon.

Nachdem ich die Briefe übergeben, begann der über meine Ankunft sehr erfreute Brahe mich nach vielem zu fragen, wovon ich leider nur wenig verstand, da ich die Sprache nicht kannte. Daher machte er es seinen Gehülfen, von denen er stets eine grosse Zahl um sich hatte17, zur Aufgabe, viel mit mir zu sprechen und so lernte ich durch die Fürsorge Brahes in wenig Wochen, mich im Dänischen verständlich zu machen. Nun war ich nicht minder eifrig im Erzählen, als jene im Fragen. Vieles mir bisher Unbekannte konnte ich dort bewundern, manches Neue aber auch den Staunenden aus meiner Heimath berichten.

Schliesslich kehrte der Schiffer zurück, aber zu meiner grossen Freude liess er mich auf meine inständige Bitte da.

Mit grossem Interesse verfolgte ich nun die Beobachtungen, welche Brahe und seine Gehülfen mit bewunderungswürdigen Instrumenten in jeder Nacht an Mond und Sternen anstellten; ich wurde dadurch an meine Mutter erinnert, die sich ja auch beständig mit dem Monde zu besprechen pflegte18.

Auf diese Weise machte ich, nach meinem Vaterlande ein Halbbarbar und von dürftiger Herkunft, die Bekanntschaft jener göttlichen Wissenschaft, die mir den Weg zu Höherem ebnete19.

So waren mir auf dieser Insel mehrere Jahre, dahingeflossen, als mich zuletzt die Sehnsucht, mein Vaterland wiederzusehen, erfasste; ich meinte, man würde mich wegen meiner Kenntnisse, die ich mir erworben, gern dort aufnehmen und mich vielleicht zu einer gewissen Würde erheben. Nachdem ich von meinem Gönner die erbetene Erlaubniss erhalten hatte, reiste ich ab, und kam nach Kopenhagen20; hier erhielt ich Reisegefährten, die mich, da ich Land und Sprache kannte, gern in ihre Gesellschaft aufnahmen und so kehrte ich denn nach 5jähriger Abwesenheit in mein Vaterland zurück.

Die erste frohe Nachricht, die ich hier erhielt, war zu hören, dass meine Mutter noch lebe und ihren Beschäftigungen wie früher nachgehe. Lebend und geehrt brachte ich ihr durch meine Wiederkunft das Ende jener täglichen Gewissensbisse, die sie bisher wegen des Leichtsinns, mit dem sie ihren Sohn damals von sich gestossen, ausgestanden hatte. Es war gerade Herbst und es begannen unsere langen Nächte, wo im Monat der Geburt Christi die Sonne, am Mittag kaum ein wenig aus ihrem Bette emportauchend, sogleich wieder schlafen geht21. Da meiner Mutter Arbeit um diese Zeit ruhte, so hing sie sich an mich, wich nicht von meiner Seite, wohin ich mich mit meinen Empfehlungsschreiben auch begab, frug bald nach den Ländern, die ich besucht, bald nach den Wundern des Himmels, wovon Kenntniss erlangt zu haben ich so erfreut war, verglich mit meinen Erzählungen, was sie selbst erfahren und versicherte, jetzt sei sie bereit zu sterben, da sie den Sohn als Erben einer Wissenschaft zurücklassen könne, die

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_032.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)