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besten, die Reise nach dem Monde von Island aus anzutreten. Eine weitere Empfehlung dieser Insel ergab sich aus der Erzählung Tycho Brahes, worüber weiter später.[UE 1] Nicht wenig Eindruck endlich machte mir die Erinnerung an die Lectüre der Geschichte von der Ueberwinterung der Holländer auf dem eisigen Nova Zembla, welche sehr viel Interessantes für die Astronomie enthält.

Die Holländer wollten längs der Nordküste Asiens einen Seeweg nach China finden, zu diesem Zwecke wurde von Amsterdamer Kaufleuten 1596 unter Willem Barents eine Expedition von 2 Schiffen ausgerüstet. Ihre Ueberwinterung war die überhaupt erste in den Polargegenden; im Sommer 1596 trennten sich die beiden Schiffe: das eine mit Willem Barents gerieth nach Novaja Semlja und wurde unter 76° n. Br. vom Eise festgehalten; die Besatzung musste den Winter auf dem Lande zubringen. Schon im October war die Kälte unerträglich, am 4. November verschwand die Sonne vollends, und es verstrichen 81 Tage völliger Nacht. Erst als der Sommer kam, konnten die muthigen Seefahrer auf Booten die Rückfahrt nach dem Süden antreten. Diese holländische Expedition hat Kepler vielfach wissenschaftlich beschäftigt, wie u. A. aus seinem Briefwechsel mit Herwart v. Hohenburg[UE 2] hervorgeht. Den Anlass hierzu gab die Aussage der Expeditionsmitglieder, dass sie an dem Ort ihrer Ueberwinterung zu ihrer Verwunderung die Sonne 6 Tage früher hätten aufgehen sehen, als es nach der geographischen Lage geschehen musste. Herwart wünschte hierüber von Kepler Aufschluss. Dieser vermuthete einerseits, dass sich die Schiffer wegen der starken Abweichung der Magnetnadel in der Nähe des Nordpols über die geographische Lage geirrt hätten, anderseits, dass durch die Wirkung der Refraktion die Sonne schon gesehen werden konnte, als sie sich thatsächlich noch unter dem Horizont befand, und theilte Herwart seine aus dieser Veranlassung gemachten Beobachtungen über die Abweichung der Magnetnadel ausführlich mit.

Allerdings hat sich später ergeben, dass seine Vermuthungen falsch waren, allein durch seine umfangreichen Vorarbeiten wurden andere Gelehrte auf die Sache aufmerksam, und so wirkte er dennoch überaus fruchtbringend für die Wissenschaft. Wir werden später noch wiederholt Gelegenheit haben, Keplers Ansicht über den Magnetismus näher kennen zu lernen. C. 41. 73. 99. u. a. u. N. [134].

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. N. [13. 16. 20].
  2. Herausgegeben von C. Anschütz, Prag 1886. s. dort S. 101 ff. – J. G. Herwart v. Hohenburg, baierischer Kanzler und Gelehrter, geb. 1533 zu Augsburg, gest. 1622 zu München. Einer der aufrichtigsten Gönner Keplers.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 025. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_053.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)