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11. [13.]


Weil Island unter dem Polarkreis liegt; auch habe ich es so von Tycho Brahe vernommen, der dies nach der Erzählung des isländischen Bischofs untersucht hat.

Direct unter dem Polarkreis liegen nur die nördlichsten Küsten von Island [s. C. 5], aber die für diesen Kreis sichtbaren Erscheinungen können auch von südlicher liegenden hohen Punkten, also vom Gipfel des Hecla aus gesehen werden. Die Mitternachtssonne, das Verweilen der Sonne oberhalb des Horizonts auch bei ihrer tiefsten Stellung, 12 Stunden nach ihrem höchsten mittägigen Stande, wird von dort etwa von Anfang Juni bis Ende Juli einen überwältigenden Anblick gewähren.

Des Johannisfestes erwähnt Kepler hier wohl nicht allein deshalb, weil die Jahreszeit und die langen Tage dem Einsammeln von Kräutern am günstigsten waren, vielmehr wollte er an den Zauber der Johannisnacht erinnern, deren Ueberlieferungen und Gebräuche besonders im hohen Norden, in den Ländern der Mitternachtssonne und der ‚weissen Nächt“ gepflegt und heilig gehalten werden, s. N. [3. 16].


12. [14.]


Die Wissenschaften der Medicin und Astronomie sind verwandt, gemeinsamen Ursprungs; sie entspringen beide der Sehnsucht nach der Erkenntniss der Natur. Der Pharmakologie hingegen sind meist abergläubische Vorstellungen beigemengt.

Die Beziehungen zwischen Medicin und Astronomie mögen Kepler besonders vertraut gewesen sein, da er als ein Mann von universellem Wissen auch auf dem Gebiete der Medicin bewandert war, und wir finden denn auch in seinen Schriften, besonders den astrologischen, vielfache Reflexionen aus dieser Wissenschaft. Es haben daraus einige Biographen schliessen wollen, dass Kepler zu Anfang seiner Laufbahn, als die Hindernisse wegen Erlangung eines theologischen Amtes sich allzu sehr bei ihm häuften, die ernste Absicht gehabt habe, Medicin zu studiren; wir erfahren nun aus seiner Note den wahren Grund für seine Neigung zu dieser Doctrin.

Interessant dürfte es sein, zu erfahren, dass auch Tycho Brahe medicinische Kenntnisse besass, wie u. A. aus einer Anmerkung in seinem Werke über den Kometen von 1580 hervorgeht. Da heisst es: „October 10. Von der Zeit des letzten Neumondes an, als eben dieser Komet auftauchte, litten die Menschen allwärts mehr als zur Hälfte, Edle wie Gemeine, an Kopfschmerz und Ausscheidungen der Lungen, mit Husten und Athemnoth, einer mit Fieberschauern beginnenden Krankheit, und es lagen

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 029. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_057.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)