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getrieben; die wahre Lehre von der Schwere beruht auf folgenden Grundsätzen:

Jede körperliche Substanz, insofern sie körperlich ist, ist geschickt, an jeder Stelle zu ruhen, wohin sie gebracht wird, wenn sie da ausserhalb des Wirkungskreises eines verwandten Körpers liegt [Definition der ‚Trägheit‘]; s. auch C. 73.

Schwere ist eine körperliche Eigenschaft, gegenseitig zwischen verwandten Körpern zur Vereinigung oder Verbindung (wohin auch das magnetische Vermögen gehört) derart, dass viel mehr die Erde den Stein zieht, als der Stein die Erde.

Schwere Körper (wenn wir auch die Erde in den Mittelpunkt der Welt setzten) gehen nicht nach dem Mittelpunkte der Welt als solchem, sondern als Mittelpunkt eines runden verwandten Körpers, nämlich der Erde. Wohin also die Erde gesetzt wird, oder wohin sie ‚facultate sua animali‘ [durch ihre Lebenskraft] gebracht wird, gehen schwere Körper immer nach ihr. Wäre die Erde nicht rund, so gingen schwere Körper nicht von überall her nach dem Mittelpunkte der Erde, sondern von verschiedenen Seiten nach verschiedenen Punkten.

Würden zwei Steine an einem Ort der Welt einander nahe gebracht, ausserhalb des Wirkungskreises eines dritten verwandten Körpers, so würden sie, wie zwei Magnete, in einer mittleren Stelle zusammenkommen und zwar würde der Weg des einen zu dem des andern sich verhalten, wie dessen Masse zu des ersteren Masse. An sich selbst leicht ist nichts, vergleichungsweise leichter ist das, was in gleichem Räume weniger Materie enthält, sei es von Natur oder durch Wärme [indem die Materie dadurch sich ausdehnt und dünner wird]. So wird das Leichtere vom Schweren aufwärts getrieben, weil es von der Erde schwächer angezogen wird.

Wäre eines Steines Entfernung von der Erde beträchtlich gegen den Halbmesser der Erde, so würde der Stein der sich bewegenden Erde nicht völlig folgen, sondern seine widerstehenden Kräfte mit den Zugkräften der Erde sich vermengen [d. h. theilweise aufheben]. Das erfolgt aber nie, weil kein geworfener Körper um den 100 000. Theil des Halbmessers von der Oberfläche der Erde entfernt wird, selbst die Wolken nicht den 1000. Theil aufsteigen. So reisst die Bewegung der Erde, was sich in der Luft befindet, mit sich fort, als berührte es die Erde.[UE 1]

Er führt bestimmt Ebbe und Fluth als einen Beweis an, dass die

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Das Letzte bringt Kepler bei, um die Einwendungen der damaligen Physiker gegen die Bewegung der Erde zu widerlegen.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_079.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)