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Temperatur mit der Höhe abnehmen. Die Absorptions- und Leitungsfähigkeit der Luft wird nun aber durch die Beimischung von Dunst wesentlich verändert: eine trockene Luft ist für die wärmenden Sonnenstrahlen ausserordentlich durchgängig, wird also viel mehr Wärme aufnehmen können, als eine mit Wasserdampf erfüllte, der besonders durch die Trübung, die er in der Atmosphäre erzeugt, die Sonnenstrahlen wie ein Schirm von der Erdoberfläche abhält, anderseits aber auch die Wärmerückstrahlung verhindert. Ferner ist die Bewegung der Luft auf die Wärmeaufnahme von Einfluss. Da Kepler eine Begrenzung und eine abnehmende Dichtigkeit der Luftschicht kannte [N. [57]], so folgerte er naturgemäss, dass die Luft in den oberen Schichten, weil die Sonnenstrahlen darin nicht so absorbirt werden können, kalt sein müsse, umsomehr als dort ewige Ruhe herrscht.

Neuere Forschungen haben auch diese Materie modificirt. Durch unbemannte, mit Registrirapparaten versehene Ballons, die bis zu einer Hohe von 19 000 m gelangten und dort eine Temperatur von –67° C. verzeichneten, hat man erfahren, dass die Temperatur in den oberen Luftschichten nicht allein erheblich niedriger ist, sondern dass sie mit der Entfernung von der Erde, wenn auch ziemlich gleichmässig, doch viel rascher abnimmt, als man bisher glaubte. Der Einfluss der Jahreszeiten auf die Temperatur reicht zwar in beträchtliche Höhen, verschwindet dann aber gänzlich. Was die Bewegung der Luft anbelangt, so hat man beobachtet, dass in Höhen von 2–4000 m gewöhnlich eine verhältnissmässig stille Luft herrscht; dann nimmt die Bewegung aber zu und erreicht Geschwindigkeiten von mehr als 40 m in der Secunde; s. auch C. 88 und 157.


44.


Durch unsere physische Kraft, d. h. durch die forcirte Bewegung des Körpers und der Gliedmassen wohl nicht, auch wenn die moralische Kraft hinzukäme, durch die man im Uebrigen, wie unerschrockene Luftschiffer bewiesen haben, ganz beträchtliche Kältegrade zu ertragen vermag.


45.


Dies war, wie Kepler aus den Erzählungen des Aristoteles[UE 1] entnahm, ein Mittel, um den Athemschwierigkeiten bei Besteigung hoher Berge zu begegnen.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Aristoteles, berühmter griechischer Philosoph, geb. 384. v. Chr. zu Stagira in Makedonien, Schüler Platons, seit 343 Lehrer Alexanders d. Gr. Gründer der peripatetischen Schule; gest. 322 in Chalkis auf Euböa.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 054. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_082.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)