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67.


Eben wegen der äusserst geringen Neigung der Bahn, in welcher der Mond sich um die Erde bewegt, die, wie Kepler ganz richtig angiebt, gegen die Ekliptik nur 5° [genauer 5° 8′ 40″] beträgt; s. Fig. 7. C. 55 u. N. [107]. Diese Neigung ist nicht unveränderlich, doch betragen die beiderseitigen Abweichungen von ihrem oben angeführten Mittelwerth nur 9′.


68.


Die Zonen auf der Erde entstehen durch den verschiedenen Stand der Sonne gegen die Erde und die daraus resultirende verschiedene Erwärmung, der Grund ist also, wie für den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten auch, die Schiefe der Ekliptik; s. Fig. 7. C. 21, 120 u. 125.

Man hat die Erde hiernach eingetheilt in 5 Zonen: 1 heisse, 2 gemässigte und 2 kalte. Die heisse erstreckt sich bis zu 231/2° zu beiden Seiten des Aequators und wird von den beiden Wendekreisen eingeschlossen, die beiden gemässigten gehen von da bis zu den Polarkreisen, je ca. 43° breit, und die beiden kalten, die Kugelflächen, sogn. Calotten, bilden, liegen innerhalb der beiden Polarkreise, deren jeder ca. 231/2° von seinem Pol entfernt ist.

Sehen wir nun, wie es in dieser Beziehung auf dem Monde steht; s. Tafel I. Kepler giebt die Breite der heissen Zone auf dem Monde zu 10° und ebenso die der beiden kalten Zonen zusammen zu 10° an. Es geschah dies unter der Voraussetzung, dass die Ebene des Mondaequators mit der der Mondbahn zusammenfällt, also ersterer ebenfalls einen Winkel von 5° mit der Ekliptik bilde. Das ist aber nach der Kenntniss der neueren Astronomie nicht der Fall, sondern der Mondaequator ist gegen die Ekliptik nur unter einem Winkel von 11/2° [genauer 1° 28′ 25″] geneigt [s. Fig. 7. C. 57]. Daher gilt Alles, was Kepler, hierauf fussend, ausspricht, noch in stärkerem Maasse: die Sonne entfernt sich nur wenig vom Aequator, sie erscheint demselben Ort das ganze Jahr hindurch fast in derselben Höhe; es werden also kaum Jahreszeiten auf dem Monde existiren. Für die unter dem Aequator liegenden Gegenden steht die Sonne immer fast in einem Scheitelkreise, für die an den Polen liegenden immer nur wenig über oder unter dem Horizont. Seine Wendekreise sind nur 11/2° vom Aequator, seine Polarkreise nur 11/2° von den Polen entfernt; die Breite der heissen Zone, die auf der Erde 47° beträgt, ist also auf dem Monde nur 3° gross und auf diesem Strich, der ungefähr die Breite von 12 Meilen hat, wird die Sonne mit ihrer ganzen Gluth herniederbrennen. Dieselbe Ausdehnung haben die kalten Zonen zusammen, wo die Sonne, wie an unsern Erdpolen, 1/2 Jahr sichtbar und 1/2 Jahr unsichtbar ist, wo also eine alles

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 070. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_098.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)