Seite:Keplers Traum 101.jpg

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Die Entdeckungsgeschichte der keplerschen Gesetze, wie wir sie in seinen Werken[UE 1] vor uns hohen, ist im höchsten Grade lehrreich und giebt uns ein Bild seiner unermüdlichen geistigen Arbeit.

Als er die genauen, Jahrzehnte lang fortgeführten Beobachtungen des Tycho Brahe über die Bewegungen des Planeten Mars durch einen glücklichen Zufall in die Hände bekam, erkannte sein weit ausblickender Geist sofort, dass er nicht allein das, was er suchte – die Kenntniss verbesserter Excentricitäten der Planetenbahnen – sondern weit mehr darin finden würde.

„Durch die Bewegung des Mars,“ rief er siegesgewiss aus, „müssen wir zu den Geheimnissen der Astronomie gelangen, oder in solchen beständig unwissend bleiben.“ –

Auf die Entwicklungen und Rechnungen einzugehen, die Kepler ersann und durchführte, um zu seinen glänzenden Resultaten zu gelangen, ist hier nicht der Platz; ich empfehle den sich dafür Interessirenden die verdienstvollen Schriften von Apelt und Goebel.[UE 2]

Eingehen möchte ich hier nur kurz darauf, wie Kepler es sich erklärt, dass die Bahnen der Planeten nicht Kreise, sondern Ellipsen sein müssten, weil diese Erklärung an seine Idee vom Weltmagnetismus anknüpft und mir Gelegenheit giebt, Keplers physikalische Theorie der himmlischen Bewegungen in den Kreis der Erörterungen zu ziehen.

An Stelle der festen Sphären, an denen die Alten sich die Planeten und Sterne gleichsam geheftet dachten und durch deren Umschwung sie die Bewegungen erklärten, setzte Kepler eine andere Naturkraft, welche den Planet innerhalb der Grenzen seines Gebiets erhält und verhindert, dass er nicht aus den Himmelsräumen herabfällt, nämlich die Trägheit [s. auch Keplers Sätze von der Schwere, C. 41], vermöge welcher jeder Körper, wenn er ausser dem Bereich einer bewegenden Kraft sich befindet, an seinem Orte in absoluter Ruhe verharrt. Seine physikalischen Gedanken über die Sonnenwelt leiteten ihn noch vor Entdeckung der Sonnenflecken[UE 3] zu der Annahme einer Umwälzung der Sonne um ihre Axe und er deducirte nun, dass von der Sonne eine bewegende Kraft ausgehe, welche die Planeten im Kreise mit sich herumführe. Dieser ‚immaterielle

Anmerkungen des Übersetzers

  1. ‚Neue Astronomie oder die Physik des Himmels‘ ... u. s. w. Prag 1609. K. O. O. III. ‚Weltharmonik‘. Linz 1619. K. O. O. V.
  2. ‚J. Keplers astronomische Weltansicht‘ von Dr. E. F. Apelt. Leipzig 1849. ‚Keplers astronomische Anschauungen und Forschungen‘ von Dr. K. Goebel. Halle 1871.
  3. Die Sonnenflecken wurden um 1611 fast gleichzeitig von Chr. Scheiner, Galilei und Johann Fabricius, geb. 1587 zu Orteel, gest. um 1615, Sohn des bekannten Mathematikers und Predigers David Fabricius, entdeckt
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 073. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_101.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)