Seite:Keplers Traum 103.jpg

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steht die Anziehung und Abstossung wieder im Gleichgewicht, wie bei A. Bei seinem weiteren Lauf durch F, G und H findet das Umgekehrte statt, der feindliche Pol ist der Sonne zugekehrt, er wird also von ihr abgestossen und entfernt sich von ihr, bis er wieder in seine Stellung A zurückgelangt, sein Aphel.

Da nun aber die Sonne in der einen Bahnhälfte den freundlichen Magnetpol der planetarischen Axe anzieht, in der andern den feindlichen abstösst, so kann sie sich nicht immer parallel bleiben, sondern muss sich eine gewisse Ablenkung von ihrer Normalstellung gefallen lassen, sie erleidet eine ‚Inclination‘ und zwar geht diese so vor sich, dass der Planet seine Magnetaxe genau nach der Sonne richtet, wenn er seine mittlere Entfernung C erreicht. Fig. 10 lehrt uns die Sache richtig überblicken. In A und E steht der Pfeil normal zur grossen Axe der Ellipse, die Inclination ist nicht vorhanden; in den Oktanten-Punkten D und B ist eine solche, wenn auch nur wenig, zu bemerken; in C, dem Endpunkt der kleinen Axe der Bahn, erreicht die Inclination ihr Maximum, und zwar geht die verlängerte Magnetaxe durch den Brennpunkt, den Mittelpunkt der Sonne selbst hindurch. Die durch die verschiedenen Entfernungen des Planeten von der Sonne in den beiden Quadranten D und B bedingte stärkere, resp. schwächere Anziehung wird durch das längere resp. kürzere Verweilen in den Quadranten ausgeglichen.

Wenn nach einem vollständigen Umlauf die Magnetaxe nicht ganz genau in ihre ursprüngliche Lage zurückkehrt, sondern eine geringe Inclination übrig bleibt, so ist offenbar die Folge davon eine Bewegung der Apsidenlinie der Planetenbahn.

Die Aenderung der Magnetaxe erläutert Kepler mit der Aenderung der Lage der Erdaxe, aus welcher der Rückgang der Nachtgleichen folgt.


74.


Der Lauf des Mondes in seiner Bahn ist keineswegs ein gleichmässiger, sondern er erleidet in der mannigfaltigsten Weise Unregelmässigkeiten – Störungen genannt –, welche sich einem Beobachter auf dem Monde natürlich als Ungleichheiten in den Bewegungen der Himmelskörper, als Sonne und Planeten, darstellen werden, ebenso wie wir auf der Erde die Ungleichmässigkeiten der Erdbewegung den ausserhalb von uns stehenden Himmelsobjecten zuschreiben.

Die von Kepler angezogenen Ungleichheiten sind in der That die

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 075. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_103.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)