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bedeutendsten und haben sich eben deshalb wohl den damaligen noch mit unzureichenden Hülfsmitteln angestellten Beobachtungen auch nicht entziehen können.

In Nachfolgendem gebe ich in möglichst populärer Weise eine Erklärung dieser Ungleichheiten.

Fig. 11.
Fig. 11.

Wir wissen [C. 41], dass die Kraft, mit welcher die Sonne die Himmelskörper anzieht, sich umgekehrt wie das Quadrat der Entfernung verhält, also z. B. 4 mal schwächer ist, wenn der angezogene Planet doppelt so weit entfernt ist. Stehen nun Erde, Sonne und Mond in einer geraden Linie, entweder so, dass der Mond zwischen Erde und Sonne, in Konjunktion als Neumond [Fig. 11, I.] oder so, dass der Mond jenseits von Erde und Sonne, in Opposition als Vollmond [Fig. 11, II.] sich befindet, so wird im ersteren Falle der Mond stärker als die Erde, im anderen Falle die Erde stärker als der Mond von der Sonne angezogen. In beiden Stellungen, die man die Syzygien nennt, wird aber die Distanz zwischen Erde und Mond dadurch vergrössert und mithin die Kraft, mit welcher die Erde auf den Mond wirken kann, vermindert, folglich die Bewegung des letzteren verlangsamt. Wenn dagegen Erde, Sonne und Mond einen rechten Winkel mit einander bilden, wie es in den ersten und letzten Vierteln, den sogn. Quadraturen der Fall ist [Fig. 12, III u. IV., S. 77], der Abstand beider Körper von der Sonne also annähernd gleich ist und beide in einem, wenn auch äusserst kleinen, spitzen Winkel nach der Sonne zu angezogen werden, so ist zwar die Kraft selbst, mit welcher

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 076. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_104.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)