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abgemessenen Bahnen langsam an sich vorüberziehen. Ich werde weiter unten [C. 108] noch naher auf die Beschreibung der Volvenoberfläche einzugehen Gelegenheit nehmen.

Es ist wohl zweifellos, dass die Gelehrten des Mondes, wenn man diese annimmt, den wahren Zusammenhang der Erscheinungen im Laufe der Zeiten ebenso richtig werden ergründet haben, wie es den unsrigen in analogen Fällen gelungen ist; aber wer wollte es dem Mondvolk verargen, wenn es seine in majestätischer Ruhe verharrende Volva als die oberste Gottheit verehrte, wie die Völker der Erde in vergangenen Zeiten die Sonne?


95.


Das ist für diejenigen Seleniten der Fall, die die Gegend des Theilkreises bewohnen. Diesen erscheint die Volva als halbe Scheibe an ihrem von Bergen und Kratern begrenzten Horizont und muss ihnen in diesem gigantischen Rahmen, noch vergrössert durch das eingeengte Gesichtsfeld [s. C. 93] einen wunderbaren Anblick gewähren.

Für die diesseits des Divisors stehenden Beobachter, die gegen den Nabel wandern, erhebt sich die Kuppe allmählig immer höher und höher, so dass sie schliesslich zur vollen Scheibe wird, für die jenseits in’s Land der Privolvaner pilgernden schrumpft sie immer mehr zusammen, bis sie ihnen endlich ganz verschwindet – auf Nimmerwiedersehen.

Wenn Kepler die Kuppe als eine glühende bezeichnet, so hat er dabei wohl an unsere am dunstigen Horizont auf- und untergehenden Tages- und Nachtgestirne gedacht, da wir aber wissen, dass der Mond keine Atmosphäre hat, so werden auch analoge Erscheinungen, wie wir sie beim Auf- und Untergang beobachten, bei der Volva den Seleniten unbekannt sein; s. auch C. 165.


96.


Es ist hier die geographische Breite eines Ortes gemeint, worunter man bekanntlich den Abstand desselben vom Aequator versteht. Zu deren Bestimmung bedient man sich der Polerhebung. Da wir nun den Pol selbst nicht erreichen können, so nehmen wir unsere Zuflucht zum Polarstern; man weiss, dass dieser Stern, welcher unter dem Aequator im Horizont erscheint, sich über demselben erhebt, wenn man sich von dem Aequator nordwärts entfernt und nach demselben herabsinkt, wenn man sich dem Aequator nähert. So braucht man also nur die Entfernung[BN 1] des Polarsterns für irgend einen Ort zu messen, um seine geographische Breite zu finden.

Die Subvolvaner haben es insofern leichter, als sie zur Bestimmung

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  1. Seite 97 Zeile 4 von unten lies Erhebung statt Entfernung. [Druckfehler-Berichtigung S. 186.]
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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 097. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_125.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)