Seite:Keplers Traum 126.jpg

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der geographischen Breite einfach den Stand ihrer überall und stets sichtbaren Volva direkt benutzen können und ausserdem diese Bestimmung, wie wir sahen [s. S. 13, m.], mit Hülfe ihrer Pole zu machen im Stande sind.


97.


Streng genommen ist diese Stellung für einen bestimmten Ort keine feststehende. Denn wie wir aus C. 55 ersehen, zeigt der Mond uns Schwankungen und diese werden sich für die Mondbewohner, die ja still zu stehen wähnen, in Schwankungen ihrer Volva abspiegeln. Sie bewirken, dass sich die Volva für jeden gegebenen Mondort in einem Raum bewegen kann, den ein sphärisches Rechteck von 15° Länge und 13° Breite einschliesst. Unter- und aufgehen kann sie nur für diejenigen Mondgegenden, deren Horizont dieses Rechteck durchschneidet, was ungefähr für 1/7 der Mondoberfläche der Fall ist.[UE 1]


98. [129.]


Bliebe die Axe des Mondes der Erdaxe während des ganzen Umlaufes parallel, so würden wir bisweilen an der nördlichen und südlichen Begrenzung des Mondes neue Flecken sehen und zwar dann, wenn wir den Mond der Sonne gegenüber im Krebs oder Steinbock erblicken –.

Also in den Solstitien. Kepler war hier nahe daran durch Induction eine der Librationen [die erste] des Mondes zu finden und wenn er die Beziehungen zwischen Mondaequator, Mondbahn und Ekliptik schon richtig gekannt hätte [s. Fig. 7], so würde er diese Eigenthümlichkeit des Mondes sicherlich schon vor Erfindung des Fernrohrs angenommen haben. In C. 55 ist die Libration des Mondes nach Norden und Süden, die sogn. erste, näher begründet, da Kepler aber den Mondaequator als mit der Mondbahn zusammenfallend annahm, so konnte er zu dem richtigen Resultat nicht kommen. Ein Fernrohr stand ihm damals noch nicht zur Verfügung und da die erwähnte Schwankung zu gering ist, um mit blossem Auge wahrgenommen werden zu können, so schloss er: weil dies [nämlich das Auftreten neuer Flecken] nicht der Fall ist, so ist auch die Axe des Mondes nicht parallel der Erdaxe, also auch nicht nach denselben Punkten gerichtet, wie die der Erde, die wir die Weltpole nennen.

Das ist ja an sich richtig, indessen nicht in dem Maasse, wie Kepler nach seinen Annahmen finden musste.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. s. Mädler, „Populäre Astronomie“. 1849. S. 168 f.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 098. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_126.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)