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99. [134.]


Dieser grosse Vorzug, den die Seleniten durch den Besitz ihrer Volva vor den Bewohnern der Erde voraus haben, also ein einfaches Mittel zur sicheren Bestimmung der selenographischen Breite sowohl, als auch der Länge, musste in erhöhtem Maasse die Aufmerksamkeit Keplers erregen, denn durch die damals gemachten überseeischen Entdeckungen und dadurch nothwendig gewordenen weiteren Seereisen war das Problem der geographischen Ortsbestimmung im höchsten Grade actuell geworden und die Astronomen beschäftigten sich eingehend mit der Lösung desselben.

Kepler schlug für die Längenbestimmung die magnetische Deklination vor, ohne selbst viel Vertrauen zu dieser Methode gewinnen zu können und auch Gilbert[UE 1] und Galilei widmeten diesem Gegenstand, ohne besseren Erfolg, ihre Aufmerksamkeit; die Astronomie und hauptsächlich die Präzisionsmechanik waren zu damaliger Zeit eben noch nicht genügend ausgebildet, um die Ideen dieser grossen Männer für die Praxis brauchbar zu gestalten. Humboldt erzählt[UE 2], er habe aus dem Schiffsjournal des Columbus erwiesen, wie derselbe auf der zweiten Reise [April 1496], als er seiner Schiffsrechnung ungewiss war, sich durch Deklinations-Beobachtungen über die geographische Länge zu orientiren gesucht.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass später Halley[UE 3] in einem Werke über die Magnetnadel, 1682, den Vorschlag machte, die Seelänge durch sie zu bestimmen; was nur dann möglich sein würde, wenn jeder Ort seine besondere, aber constante Deklination hätte, was jedoch, wie auch Halley selbst dann zugiebt, nicht der Fall ist.

Wir haben zwar die Finsternisse und die Fixsternbedeckungen durch den Mond, indessen sind das mühevolle und leicht zu Irrthümern führende Methoden. Ferner war ich damals, als ich die Astronomie des Mondes schrieb [1593–1609] der Meinung, dass die magnetische Deklination mit dem Meridian sich ändere, dass man sie also gleichsam zur allgemeinen Längenbestimmung von Orten verwenden könne.[UE 4] Ungefähr um dieselbe Zeit tauchte auch die ‚Mécométrie‘

Anmerkungen des Übersetzers

  1. William Gilbert, Arzt in London, hervorragender Physiker, gest. 1603.
  2. Kosmos IV, S. 115.
  3. Edmund Halley, geb. 1656 in Haggerston bei London, gest. 1742 in Greenwich; berühmter Astronom, Direktor der Sternwarte zu Greenwich; berechnete die Wiederkehr des nach ihm benannten Kometen.
  4. Im Original von 1634 stellt ‚latitudines‘ – also Breite – und auch Frisch hat so; es liegt hier aber offenbar ein Druck- oder Schreibfehler vor und muss ‚longitudines‘ heissen.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_127.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)