Seite:Keplers Traum 146.jpg

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also wird auch der arktische Kreis sowohl der Sonne, als auch einem Auge, das sich, wie eben das eines Mondbewohners, in einer durch den Mittelpunkt der Sonne und der Erde gezogenen Linie befindet, stets sichtbar sein.

Durch die schiefe Stellung der Erdaxe zu ihrer Bahn werden auf der Erde zwei Zonen gebildet, die je nach dem Stande der Erde zur Sonne bei einer ganzen Umdrehung entweder immer, oder gar nicht beleuchtet werden. Diese, die nördliche und die südliche Polar- oder kalten Zonen werden durch die Polarkreise begrenzt. Die nördliche Polarzone nun ist es, die Kepler im Sinne hat und wie man aus Fig. 19 ersieht, ist sie der Sonne zugewandt, wenn letztere im Krebs steht, und ein Punkt in oder nahe bei dieser Zone, wie z. B. Island, wird also vom Monde aus gesehen zu dieser Zeit immer sichtbar sein und durch die Bewegung der Volva einen Kreis um den Pol beschreiben. Wir auf der Erde haben bekanntlich dann Sommeranfang und zugleich den längsten Tag. Steht dagegen die Erde im entgegengesetzten Punkt ihrer Bahn, die Sonne also im Steinbock, so ist die nördliche Polarzone der Sonne abgewandt, unser Punkt kann also, weil von dem Körper der Volva verdeckt, nicht gesehen werden; wir haben dann Winteranfang und den kürzesten Tag; s. auch C. 68.


126.


Man kann dies an der Hand der Fig. 19 verfolgen: zunächst wird der Kreis sich öffnen, bis er, wenn die Sonne in der Waage steht, wir also Herbstanfang und Tag- und Nachtgleiche haben, einen Halbkreis bildet, dann wird er immer mehr abnehmen, ganz verschwinden, um nun wieder in derselben Weise zu wachsen, wie er vorhin abnahm. Im Frühlingspunkt, wenn die Sonne im Widder steht, wird er gleichfalls einen Halbkreis bilden.


127. [180.]


Die Mondbewohner müssen den Polen ihrer Volva eine jährliche Bewegung zuschreiben, weil sie nicht wissen, dass sie sich zusammen mit ihrer Volva in einer jährlichen Bewegung um einen und denselben festen Punkt drehen. Denn obwohl die Axe der Erde das ganze Jahr hindurch nach denselben Fixsternen, indessen abweichend von den Polen der Ekliptik, gerichtet ist, die Erde aber mit dem Monde auf der Ekliptik sich bewegt, immer in gleichem Abstande von dieser, doch bald jenen Fixsternen sich nähernd, bald sich von ihnen entfernend,

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Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_146.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)