Seite:Keplers Traum 147.jpg

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so kommt es den Mondbewohnern so vor, als ob der Ort des Volvenpols abwechselnd diesseits und jenseits des Pols der Ekliptik zu liegen kommt und so um denselben herum zu gehen scheint.

Der Mond geht mit der Erde jährlich um die Sonne, den festen Punkt, wie Kepler wohl nicht ohne Absicht hervorhebt. Es entstehen dadurch für die Bewohner des Mondes gewisse Sinnestäuschungen, deren ähnliche auch wir u. A. in dem täglichen Lauf der Sonne und der Sterne um unsern Standpunkt erfahren. Die Bewegung, welche die Seleniten an den Polen unserer Erde beobachten, machen in Wirklichkeit nicht wir, sondern die Seleniten, und nur, weil sie wähnen, still zu stehen, übertragen sie solche auf ihre Volva; vergl. C. 77 u. N. [111]. Aber wie ich mich schon weiter oben [s. C. 94.] in diesem Sinne ausgesprochen habe, bin ich überzeugt, dass die Seleniten diese Sinnestäuschung überwunden und, wie wir, den wirklichen Vorgang erkannt haben werden.

Keplers Absicht geht indessen tiefer: er nimmt, indem er diese Vorgänge ausführlich schildert, sehr willkommenen Anlass, die Richtigkeit der copernicanischen Lehre zu zeigen, er hebt den täglichen Umlauf der Flecken auf der Erde hervor, bemerkend, dass kein Levanier daraus etwa auf einen gleichzeitigen Umlauf des Mondes um die Erde schliessen würde, ebenso wenig wie uns es etwa einfallen könnte, den periodischen Umlauf der Sonnenflecken durch eine ausserordentliche Bewegung der Erde um die Sonne zu deuten, sondern richtig durch eine Rotation der Sonne selbst[UE 1], und benutzt so die Bewegung der Flecken zur Erklärung der täglichen und jährlichen Bewegungen der Erde.


128.


s. N. [126]. Der Grund dafür ist die elliptische Bahn des Mondes. Dadurch wird der Mond nach dem II. keplerschen Gesetz [s. C. 79] zu der Zeit, wo er der Erde am nächsten ist, auch am schnellsten in seiner Bahn fortschreiten. Naturgemäss muss dann den Mondbewohnern ihre Volva am grössten, die Bewegung der Gestirne am schnellsten erscheinen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die hierdurch entstehenden Grössenunterschiede der Volva wohl nur mit Zuhülfenahme von optischen Instrumenten wahrnehmbar sein werden, ebenso wie wir die des Mondes mit blossem Auge nicht sehen können. Es zeugt übrigens von einer rührenden Bescheidenheit, dass Kepler auf diese Stelle, die eins seiner grössten Geisteserzeugnisse illustrirt, nicht näher eingeht, obgleich er doch sonst mit seinen Noten, worin er die Räthsel des Textes löst, nicht eben geizt.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Die Rotation der Sonne behauptete Kepler schon vor Entdeckung der Sonnenflecken.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_147.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)