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III. Erscheinung. Die über die leuchtenden Theile geführte Schnittlinie wird uneben wie eine Säge, oder wie der Bruch einer umgeknickten Stange.

IV. Also an dem Theil des Mondes, der rein leuchtend ist, erheben sich abwechselnd auf der Schnittlinie einzelne Parthien in die Höhe, daneben einzelne abwärts. Dies ist die Erklärung für die Rauhheit. Theile also der Mondoberfläche, welche in reinem Lichte leuchten, sind in Wirklichkeit rauh.

V. Erscheinung. Dahingegen ist die Schnittlinie, die über die fleckigen Theile der Mondoberfläche geht, vollkommen gerade.[UE 1]

VI. Es sind also die Mondflecken gleichmässige und vollkommen kugelförmige Parthien der Oberfläche.

VII. Erscheinung. Wenn der Schnitt durch die Flecken geführt wird, erscheinen innerhalb des beleuchteten Theiles des Mondes gewisse beschattete Risse, die aus dem unsichtbaren Theile des Mondes hervorkommen und welche die Flecken von den reinleuchtenden Theilen her gleichsam durchschneiden.

VIII. Also beleuchten die Sonnenstrahlen sowohl die leuchtenden, wie die fleckigen Theile diesseits und jenseits jener schattigen Spalten auf der beleuchteten Hälfte; die Gegend aber, welche der Spalt durchschneidet, beleuchten sie nicht.

IX. Aber nach II liegen die leuchtenden Theile hoch, die fleckigen niedrig: folglich sind jene Spalten nichts anderes als der Schatten der beleuchteten Berge oder Küsten, die auf die Flecken gleichsam wie auf eine Ebene oder eine Wasserfläche fallen.

X. Erscheinung. In dem unsichtbaren Theil des zunehmenden Mondes lassen sich, nahe dem Schnitt, leuchtende Punkte unterscheiden, welche nach Verlauf einiger Stunden heller werden, bis sie sich bei der Schnittlinie mit dem beleuchteten Theil verschmelzen, und dann tritt klar zu Tage, dass jene Punkte zu leuchtenden, nicht zu fleckigen Parthien des Mondes gehören.

XI. Also müssen unbedingt aus jenem Theil der Oberfläche, welcher von den Strahlen der Sonne nicht erreicht wird, einige Spitzen

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Die in Erscheinung III erwähnte Schnittlinie geht also über bergige, die in Erscheinung V über ebene Parthien der Mondoberfläche. Ich verweise hier auf das schon mehrfach citirte Buch von Jul. Schmidt ‚Der Mond‘, dessen beide Tafeln diese Beispiele sehr hübsch zur Anschauung bringen. In Tafel I dieses Buches von Schmidt geht die Schnittlinie durch die Kraterlandschaften Clavius, Magius und Tycho und sie erscheint völlig zackig und zerbrochen, während in Tafel II die Schnittlinie im geraden Zuge über das grosse Mare Serenitatis streicht.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_188.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)