Seite:Keplers Traum 191.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bande gelöst habe [d. h. freien Lauf zur Mitwirkung gelassen habe], so folgt, dass das Ungeordnete, so weit es ungeordnet ist, von der Bewegung der Elemente und dem Zwang des Stoffes herrührt.

XX. Wenn also auf der Oberfläche des Mondes, besonders was die sichtbareren Parthien anlangt, eine gewisse Unordnung zu Tage tritt: einige Theile hoch, einige niedrig, andere gleichmässig eben, andere uneben, so muss man nothwendig annehmen, dass auf dem Mondkörper etwas vorhanden ist, das unsern Elementen und ihren beregten Eigenschaften ähnlich ist. Es muss uns also auch freistehen, letztere mit denselben Namen zu belegen: als da sind Härte, Weiche, Trockenheit und Feuchtigkeit [vergl. XVIII].

XXI. Die Mondflecken rühren also einerseits her von einer gewissen Feuchtigkeit, die vermöge ihrer Absorptionsfähigkeit und Beweglichkeit das Sonnenlicht abstumpft und die, gleichmässig um den Mittelpunkt des Mondkörpers angehäuft, den Eindruck des Niedrigen und Gleichen der Oberfläche hervorruft; anderseits von Bergen, welche sowohl das von der Sonne empfangene Licht vermöge ihrer Trockenheit und Härte klar zurückstrahlen, die Oberfläche der Gewässer hoch überragend, als auch durch ungleiche Erhebung ihrer einzelnen Theile die Oberfläche uneben erscheinen lassen.

XXII. Erscheinung. Unter den Flecken ist hinsichtlich der Abtönung eine Verschiedenheit, indem einige schwärzer sind, als andere. So giebt es im Mittelpunkt der Scheibe, etwas gegen Süden verschoben einen Fleck, welcher das Aussehen des österreichischen Wappenschildes[UE 1] zeigt; denn die dunkle Farbe ist oben und unten gesättigt, in der Mitte aber ist er getheilt durch einen gleichmässig breiten Gürtel, der etwas weniger dunkel als der übrige Theil, dennoch aber weniger hell als der leuchtende Theil des Mondes ist.

XXIII. Auf dem Monde also unterscheiden sich die fleckigen Theile, das sind die feuchten Gegenden, durch den Grad der Feuchtigkeit, einige sind trockener, andere mehr nass. Sie sind also theils unseren Sümpfen, theils unseren Meeren ähnlich. Denn es wachsen auch in unseren Sümpfen Gräser, Schilf, Binsen und Rohr und hier und dort ragen Inseln hervor, welche fest und trocken sind und weisslich schimmern und welche die Sonnenstrahlen heller zurückstrahlen.

XXIV. Erscheinung. Das Aussehen der um die Schnittlinie herumliegenden Flecken zeigt sich mit Hülfe eines sehr guten Diopters [Fernglas] nicht unähnlich dem Antlitz eines Knaben, mannigfaltig entstellt durch Auswüchse, da das Licht dieses bausbackige Gesicht

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Gemeint ist vermuthlich die Parthie um Ptolemäus, Alphonsus und Arzachel.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_191.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)