Seite:Keplers Traum 194.jpg

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Gleichgewicht gehalten. Aber in den fleckigen Parthien des Mondes ist die Gestalt der genau runden Höhlen und die Anordnung derselben oder die gewisse Gleichmässigkeit der Zwischenräume etwas Gemachtes und zwar gemacht von einem architektonischen Verstande. Denn eine solche Höhlung kann nicht ohne Zuthun in Form eines Kreises von irgend einer elementaren Bewegung gemacht sein. Auch kann man nicht sagen, die Oberfläche des Mondes sei mit einer sehr dicken Sandschicht bedeckt gewesen und nachdem ein Loch im Boden entstanden, sei unter der Kruste ein leerer Raum gewesen, in den der Sand hineingefallen.[UE 1] Dies kann umsoweniger behauptet werden, als XXI dem widerspricht. Denn an jener Stelle befindet sich Flüssigkeit und diese würde, wenn ihr eine Oeffnung geboten, herausfliessen und jene Theile trocken legen, so dass aus den Flecken weisse und leuchtende Theile würden. Noch viel weniger kann die Lage vieler Flecken unter sich von einer Bewegung der Elemente herrühren.

XXIX. Es scheint also, dass wir aus dem Vorhergehenden schliessen müssen, dass auf dem Monde lebende Wesen[UE 2] vorhanden sind, mit soviel Vernunft begabt, um jene Ordnung hervorzubringen, wenn auch ihre Körpermasse nicht mit jenen Bergen in Vergleich zu setzen ist. Denn so machen auch auf der Erde die Menschen zwar die Berge und Meere nicht (denn die Xerxesse und die Neros sind selten, und auch ihre Werke kann man mit dem Natürlichen der Berge und Meere nicht vergleichen), aber sie bauen auf ihr Städte und Burgen, in denen man Ordnung und Kunst zu erkennen vermag. Es scheint sogar, als ob die Oberfläche der Himmelskörper nur deshalb dem blinden Zufall überlassen wäre, damit durch Ordnung und Ausgestaltung einzelner Gegenden, der Vernunft Gelegenheit zur Uebung gegeben würde.

Anmerkungen des Übersetzers

  1. Ich rekonstruire diesen Gedanken Keplers in nebenstehender Fig. 24. Es würde sich durch einen solchen Vorfall in der That eine kreisrunde trichterförmige Höhlung bilden. Man erkennt hier, dass Kepler um die mögliche Erklärung irgend einer Erscheinung nie verlegen war. [s. auch App. II.]
  2. An einen astronomischen Freund schreibt er: „Nicht allein jener unglückliche Bruno, sondern auch mein Tycho Brahe war der Meinung, dass in den Sternen Inwohner seien, welcher Meinung ich gleichfalls beitrete.“
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Kepler: Keplers Traum vom Mond. B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keplers_Traum_194.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)