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Reih und Glied mit Beate, Seneïde marschierte, sie ließ plötzlich alles fallen, so mit einem Ruck, wie sie es liebte, ihre Kleider an sich niedergleiten zu lassen, um in ihrer schönen Nacktheit ihm zu gehören. Teufel auch! – Aber er wurde ungeduldig. Das Warten verlor seine Feierlichkeit. Kleinliche, unangenehme Gedanken kamen: an Verheimlichen, Verstecken, die ganze unreinliche Buchführung einer solchen Liebe.

Endlich knirschte der Kies unter dem Fenster; die Türklinke ließ ihr alterschwaches Knarren vernehmen und Mareile war da. Mit ihr durch die Türe kam ein wenig von dem hellen Widerschein des Wassers in das Zimmer und flirrte an den Tapeten hin. Günther blieb regungslos liegen. Die starke Spannung seines Wesens löste sich in glückliche Wunschlosigkeit. Nun war alles gut! Mareile schloß sorgsam die Türe, zog die Vorhänge vor das Fenster. Dann stand sie da, streifte die langen Handschuhe von den Armen und sah Günther an. Ein Lächeln stieg von ihren Lippen in ihre Augen hinauf. Sie trug ein Kleid von gelbrotem, spanischem Musselin, die milde Farbe trockner Rosenblätter. Ein orientalischer Gürtel aus bunten Metallfäden hielt es zusammen. Auf dem Kopfe saß der geschweifte Sommerhut aus blankem, gelbem Stroh wie ein Riesenchrysanthemum. Günther wollte etwas sagen, Mareile jedoch legte ihren Finger auf ihre Lippen und machte „Sst“. Sie löste die Schnalle ihres Gürtels, der mit hellem Klirren zur Erde fiel; dann rauschten die Kleider, indem sie niederglitten, – ein seidiges – leises Rauschen. Einen Augenblick stand Mareile still, hob die Arme empor, als täte die Nacktheit ihr wohl,

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)