Seite:Keyserling Wellen.pdf/131

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Abendsonne schien es, als erröteten alle Gesichter, dann kam die Promenade, von Hilmar angeführt, eine wilde Promenade zwischen den Birkenstämmen hindurch, über das Heidekraut hin.

„Unser Leutnant steht auf der Höhe seiner Aufgabe,“ sagte Knospelius, „aber die Stimmung darf nicht verrauchen. Jetzt muß gleich gesungen werden, ein Volkslied, etwas ganz Herzbrechendes natürlich.“

Als die Quadrille zu Ende war und alle wieder auf den Polstern saßen, war die Sonne untergegangen, unter den Bäumen begann es schnell zu dämmern, von der Seeseite kam ein Wehen, fuhr in die Birken und ließ sie erregt flüstern. Unten aber rauschte das Meer jetzt lauter. Knospelius erhob sich, streckte seinen langen Arm aus, schlug den Takt und stimmte mit lauter gefühlvoller Stimme an:

„Mei Mutter mag mi nit
Und kei Schatz hab’ i nit
Ei, warum sterb’ i nit
Was tu i da“.

Alle sangen mit, selbst die Generalin, die Mädchen falteten die Hände im Schoß, schauten mit den blanken Augen gerade vor sich hin und ließen ihre scharfen Sopranstimmen klagend in die

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)