Kind meiner Eltern. Es hätte melancholisch sein können. Vor dem Schlosse ging ein Fluß vorüber, der immer sehr voll von einem trüben grünlichen Wasser war; dort schnalzten in der Dämmerung die Fische und sangen die Erdkrebse. Aber an Sommerabenden lief ich in die Dorfstraße hinunter und dort kamen dann meine Kameraden auf ihren nackten Füßen, mit ihren grauen Leinwandhosen und fliegenden blonden Haaren, kleine lustige Teufel der Sommerdämmerung, und dann war es köstlich.“
„Das muß köstlich gewesen sein,“ wiederholte Doralice sinnend. „Ich war an Sommerabenden in unserm Garten immer allein.“
„Schade,“ rief Hilmar, „daß ich damals nicht zu Ihnen kommen konnte, auch so als kleiner Dämmerungsteufel.“
– „Das wäre lustig gewesen,“ meinte Doralice, „ich glaube, ich wartete damals immer auf so etwas.“
Jetzt stimmte Knospelius die Loreley an. Er nahm das Tempo sehr getragen, als wollte er, daß die Seelen seiner Gäste ganz hinschmölzen in den klagenden Tönen. Kaum war das Lied zu Ende, trieb er zur Quadrille; die Harmonika und die Geige begannen zu spielen; Hilmar bot, als
Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)