Seite:Keyserling Wellen.pdf/14

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sah Wedig schief durch ihren Kneifer an und meinte: „An die Phantasie des Kindes reicht selbst das Weltmeer nicht hinan.“

Nun begann Frau von Buttlär mit ihrer Mutter ein Gespräch über Repenow, ihr Gut, über Dinge, die sie anzuordnen vergessen hatte, von Gemüsen, die eingemacht werden sollten, und Dienstboten, die unzuverlässig waren, lauter Sachen, die seltsam fremd und unpassend in das Rauschen des Meeres hineinklangen, dachte Lolo. Aber unten am Tisch war ein Streit entstanden zwischen Wedig und Ernestine. „Ernestine,“ sagte Fräulein Bork streng, „wie oft habe ich es dir nicht gesagt, du darfst beim Servieren nicht sprechen. Oh! cette enfant!“ setzte sie hinzu und seufzte. Die Generalin lachte. „Ja, unsere Bork hat es mit Ernestinens Erziehung schwer, denkt euch, heute mittag entschließt sich das Mädchen zu baden. Sie geht ins Meer nackt wie ein Finger, am hellen Mittag.“ – „Aber Mama!“ flüsterte Frau von Buttlär, die Mädchen beugten sich auf ihre Teller nieder, während Wedig nachdenklich Ernestine nachschaute, die kichernd verschwand.

Das Abendlicht legte sich jetzt plötzlich ganz grellrot und unwahrscheinlich über den Tisch und Fräulein Bork schrie auf: „Seht doch!“ Alle

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)