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die nicht zu ihr gehörten, die an ihr vorübergingen. Sie kam sich vor wie ein Reisender, der auf irgendeiner kleinen verschollenen Station liegen bleibt und nun in dem häßlichen Stationszimmer sitzt und sich für eine Weile von der Melancholie eines Lebens eingefangen sieht, das nicht zu ihm gehört. Denn der Zug würde kommen und die kleine Station mit ihrer grauen Langeweile würde hinter ihm versinken und vergessen werden. Und doch, was sollte kommen! In Doralice klangen die Worte wieder, die sie heute Morgen gehört: Jeder Augenblick, den Sie allein sind, „ist für einen von uns anderen eine wahnsinnige Verschwendung“. Hans fürchtete sich vor dieser Verschwendung nicht, er fürchtete nicht, etwas zu versäumen, er ging schlafen. Wie sicher er ihrer war! wie sicher, daß er ein ganzes Leben vor sich hatte, um mit ihr zusammen zu sein, ein ganzes Leben. Ein ganzes Leben! klang es eintönig in ihr wieder nach dem Takte des Regens, der da draußen mit seinem flachen Plätschern eifrig in die große, schicksalsvolle Stimme des Meeres hineinplauderte. Wie er dort oben vor ihr gekniet hatte. Wie hatte er doch von seinem Reiten gesagt? „Man denkt nur eins, man will nur eins, so stark, daß man sich wundert, daß

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/159&oldid=- (Version vom 1.8.2018)