Seite:Keyserling Wellen.pdf/163

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diesem Zimmer etwas fremd. Ich habe das Gefühl, als ob ein Modell bei mir wäre.“

„Ein Modell,“ wiederholte Doralice gekränkt.

„Nein, nein, nicht ein Modell,“ beruhigte Hans sie, „es war dumm, daß ich das sagte. Höre, ich werde es dir erklären. Es war in München, ich wohnte im vierten Stock, in einem sehr häßlichen Zimmer natürlich. Da verliebe ich mich beim Kunsthändler in eine französische Glasschale, ein hübsches Ding wie aus rosa und grünem Eis, für mich viel zu teuer. Gut. Aber ich bin verliebt und als ich für ein Bild etwas Geld bekomme, kaufe ich sie und trage sie nach Hause. Ich stelle sie auf meinen Tisch. Der Tisch hat eine scheußlich gelbe Decke mit blauen Blumen. Nein, das geht nicht. Ich stelle sie auf den Kasten, einen plumpgebeizten gelben Kasten. Aber das geht noch weniger. Ich stelle sie auf den Waschtisch, auf das Fenster – na, was soll ich dir sagen, wo diese Schale auch steht, überall gibt es einen falschen Ton, quält mich wie Zahnweh. Ich bin glücklich, als das Ding wieder beim Kunsthändler ist. Siehst du, so.“

„Bin ich diese Schale?“ fragte Doralice. – „Nicht du, dein Kleid, dein Kleid“. Hans stand vor Doralice und wartete gespannt, was sie sagen

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)