Seite:Keyserling Wellen.pdf/178

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um Mitternacht nachsehen ging. Ich gehe immer um Mitternacht nachsehen, das ist noch von der Zeit, als ich auf Meine wartete.“ Die tiefe heisere Stimme sprach ruhig vor sich hin, nicht, als spräche sie für die andern, sondern als könnte sie einmal in Schwung gebracht nicht sogleich wieder verstummen. Doralice richtete sich ein wenig auf, um die Fischersfrau am Strande besser sehen zu können, die rastlos an dem Saum der brandenden Wellen entlang irrte und wartete, auf das Schreckliche wartete, und was die Mutter Wardein da erzählte, war es nicht auch ein endlos langes Leben, in dem sie immer wieder auf das Schreckliche gewartet hatte? Doralice zog die Augenbrauen zusammen, sie hätte weinen können, nicht aus Mitleid, sondern weil all dieses Dunkele plötzlich so nah an sie herankam. Der Morgen mit seinem Licht, seinem Duft, seinem Wehen hatte ihr voller Versprechungen geschienen. Das war vielleicht sinnlos, aber es tat wohl. Nun war all das vorüber. Mutlos warf sie sich zurück, sie mochte nicht mehr sehen und hören. Dennoch trieb es sie bald wieder die Augen zu öffnen, um zu sehen, ob die graue Gestalt unten noch da sei. Sie war da. Aber etwas anderes kam noch durch den Sonnenschein, Hilmar, im

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)