Seite:Keyserling Wellen.pdf/195

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Die wirren Qualen und Enttäuschungen ihrer Liebesgeschichte ertrug sie nicht länger, so flüchtete sie sich denn in den Rausch, wie ihn so stark nur der Wille zum Opfer einem Frauenherzen gibt. Das war jetzt ihr Erlebnis und es erfüllte sie ganz mit Andacht vor der eigenen Seele. Sterben war leicht. Sie wollte in das Meer hinausschwimmen weit, weit über die Sandbank hinaus. Sie wollte schwimmen, bis diese Müdigkeit kam, die sie kannte, in der wir nichts anderes wünschen, als uns willenlos und untätig auf dem Wasser auszustrecken. Ja, und dann würde es sich vollziehen, das dunkele Ruhevolle, und all die furchtbare Spannung des Fühlens und Wollens würde sich lösen. Sobald es im Hause stille war, stand Lolo auf. Sie kleidete sich in ihren Badeanzug, hüllte sich in ihren Mantel und schlich hinaus. Draußen die Nacht schwarz und warm, am Himmel große, sehr helle Sterne. So hatte sie es erwartet, das war in Ordnung. Als sie in Wardeins Anwesen noch Licht im Fenster sah, wollte sie herangehen und hineinschauen aus unklarem Verlangen nach noch mehr Bitterkeit und Schmerz. Sie sah Doralice im Sessel sitzen und Hilmar neben ihr knieen, allein das erschütterte sie nicht stark, sie hatte das erwartet, auch das

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/195&oldid=- (Version vom 29.9.2021)