Seite:Keyserling Wellen.pdf/202

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sich von Ihrem Maler entführen lassen, nun gut. Aber jetzt, meine Liebe, ist es doch genug, man kann sich doch nicht immerfort entführen lassen. Vom Sichentführenlassen kann doch keiner leben. Und dann, die Kleine hat nun mal diesen Bräutigam, ich habe ihn ihr nicht ausgesucht, aber er ist ihr gegeben worden und sie hat sich in ihn verliebt. Die Buttlärs besorgen so etwas immer gründlich. Sie können ihn ihr doch lassen.“ Die Generalin hielt einen Augenblick inne, um Atem zu schöpfen, Doralice saß regungslos da und über ihr bleiches Gesicht rannen unablässig Tränen herab. „Sie sind bildhübsch, meine Liebe,“ fuhr die Generalin fort, „aber was hilft das? Versuchen Sie doch mit Ihrem Maler ordentlich zu leben, er scheint ja ein ganz guter Mensch zu sein. Sich entführen lassen, das geht schnell. Mich hat zwar nie jemand entführt, ich hatte es auch nicht nötig, ich war mit meinem Palikow immer recht zufrieden, aber ich denke mir das so nach dem, was ich um mich sehe. Aber mit dem Herrn, der einen entführt, leben, das ist die Kunst. Glauben Sie mir, man kann sehr gut leben, auch ohne daß ein Mannsbild immer vor einem auf den Knien liegt. Und dann noch eins. Wenn der junge Mensch morgen zu Ihnen herrennt,

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/202&oldid=- (Version vom 1.8.2018)