Seite:Keyserling Wellen.pdf/237

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Lolo stand, ein schmaler roter Strich, in einem grünblauen Meere und Hans kam langsam durch den Sonnenschein auf Doralice zu. „Schön, schön,“ sagte er in seiner herzlichen, eifrigen Weise, „du hast auf mich gewartet, schön, schön.“ Und Doralice fühlte, daß nun alles wieder gut sei, fühlte das mit einer so starken und heißen Erschütterung der Freude, daß sie mit einem Ruck aus ihrem Sessel auffuhr und das bleiche sich sachte hin und her wiegende Gesicht Agnes’ verständnislos anschaute. Nein, diese Traumbilder waren Leben und dieses Zimmer mit der bleichen Agnes und der heulenden schwarzen Nacht draußen, das waren nur die Schrecken eines unbegreiflichen Traums. Und sie flüchtete wieder zu den Traumbildern, lebte mit ihnen, bis die Freude, die sie brachten, sie wieder weckte.

Der Tag graute, zögernd und schäbig. Ein heftiger Gewitterregen ging nieder; er hüllte das Land und das Haus wie in undurchdringliche staubgraue Spinnweben ein. Da hatte das Licht einen schweren Stand. War das überhaupt ein Tag, dachte Doralice, dieses müde, kummervolle Hindämmern, unterbrochen von dem jähen Aufschrecken, wenn das deutliche Bewußtsein des jammervollen, unfaßbaren Wartens kam. Sie

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)