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Das ärgerte Hans wieder. „Ja dort, dort konnte ich dich allerdings nicht malen. Ich war berauscht von dir. Man muß doch seinem Modell auch einigermaßen objektiv gegenüberstehen.“

– „Stehst du mir jetzt objektiv gegenüber?“ fragte Doralice verwundert.

„Ja,“ meinte Hans, „es kommt wenigstens allmählich und das haben wir nötig, etwas Nüchternheit, so eine selbstgeschaffene Bürgerlichkeit, in die man sich fest einschließt. Du sprachst da vorhin wegwerfend von Kartoffelsuppe, ich möchte sagen, kein Leben, auch das idealste, ist möglich, in dem es nicht einige Stunden am Tage nach Kartoffelsuppe riecht.“ Er lachte und sah Doralice triumphierend an, stolz auf seine Bemerkung.

Doralice seufzte: „Uff, wenn man da nur atmen kann, ganz eng, fest eingesperrt und riecht nach Kartoffelsuppe. Eine Welt, als ob Agnes sie geschaffen hätte.“

„Bitte“, sagte Hans empfindlich, „wer da nicht atmen kann, darf hinaus, wir sind freie Menschen, daß wir uns selbst binden, ist unsere Freiheit, aber keiner von uns ist gebunden.“

Doralice zog die Augenbrauen in die Höhe und sagte ziemlich schläfrig: „Ach, lassen wir doch die alte Freiheit. Es ist ja ganz hübsch, wenn eine

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)