Seite:Keyserling Wellen.pdf/82

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war in sein Leben gekommen, das es ihm selber fremd machte, als lebte es ein anderer für ihn. Mädchen, und was man so Liebe nennt, waren ihm schon früher begegnet, und so etwas verwirrt zuweilen, man begeht Torheiten, aber verständlich war das und ging schließlich hübsch glatt in das allgemeine Erleben auf. Man mußte nur fest und ein wenig rücksichtslos zugreifen. „Stramm halten, dann verfitzt es sich nicht,“ pflegte Hansens Großmutter zu sagen, die für Geld Strümpfe strickte, wenn der kleine Hans vor ihr saß und die Baumwollsträhnen zum Abwickeln hielt. Aber diese Frau hier, warum mußte er sie so schmerzhaft begehren, jetzt, wo er sie besaß? Warum hatte er nie das ruhige, glückliche Gefühl des Besitzes, warum mußte er, wenn er sie am festesten hielt, stets fürchten, sie zu verlieren? Alles in ihm war voll von dieser Frau und doch war sie ihm fern. Er verstand nicht, er verstand nicht, und es blieb ihm nichts übrig, als wie ein Raubtier knurrend seine Beute festzuhalten, damit niemand sie ihm entreiße. Hans hatte sich entkleidet und ging langsam durch die Brandung in das Meer hinein. „Ich will es schon erzwingen,“ dachte er ingrimmig, „ich will sie schon in das Hans Grillsche umrechnen.“

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)