Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 II 316.jpg

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Perlen seyn,“ aber der Mythische Zug selbst ist schon untergegangen und hat nur diese Spur hinterlassen. Die Wunderdinge, welche im ital. verlangt werden, das tanzende Wasser, der singende Apfel und der grüne Vogel kommen mit der 1001 Nacht überein; aber abweichend und begründeter ist, wenn die Schuldigen, von welchen die Kinder ins Wasser geworfen waren, bewirken, daß die Schwester ihrer Brüder zu dem gefährlichen Unternehmen reizt, weil sie hoffen, diese sollten dabei umkommen: in der 1001 Nacht bleibt es unerklärt, warum die Andächtige die Neugierde der Schwester rege macht. Dagegen kommt das Verbot sich nicht umzusehen ohne Noth bei Straparola vor, da die Strafe des Versteinens nicht darauf steht.

Wichtiger als diese Abweichungen der arab. und ital. Sage unter sich, ist es, anzuführen, wie unsere Deutsche in einigem mit dieser, in anderm mit jener übereinkommt; der sicherste Beweis ihrer Unabhängigkeit (wiewohl schon jeder, der die Gegend kennte, wo es aufgenommen ist, überzeugt seyn würde, daß jene fremde Erzählungen niemals dorthin gelangt sind). – Mit Straparola stimmt es, daß die Kinder einen rothen (goldenen) Stern auf der Stirne (altes Zeichen hoher Abkunft: Flamme auf dem Haupt[1]; mit zur Welt bringen, wovon die arab. Erzählung nichts weiß. Mit dieser dagegen, daß keine böse Stiefmutter, wie bei Straparola mitwirkt, sondern blos die Schwestern; daß die Kinder in drei Jahren nach einander nicht auf einmal zur Welt kommen und sich die beiden ersten Male der König besänftigt. Eigenthümlich dem deutschen und schön ists, daß aus dem Wasser jedesmal, wie das Kind hineingeworfen ist, ein Vögelchen aufsteigt, welches andeutet, daß der Geist das Leben sich erhalten hat, (denn die Seele ist ein Vogel, eine Taube), wie im Märchen vom Machandelboom (I. 47.); darauf beziehen


  1. Es gibt auch Geschlechter, wo bei jedem Mitglied, wenn es heftig bewegt wird, von Zorn, Schaam, ein scharf gezeichneter rother Blutstreif auf der Stirne sich zeigt.
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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1815). Berlin 1815, Seite XVIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_II_316.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)