Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 II 355.jpg

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wenn ich steh bey des Kranken Füßen
so wird derselbig sterben müssen,
alsdann so nim dich sein nicht an,
sichstu mich aber beym Kopfen stahn etc.

zum Schein der Arzenei solle er nur zwei schlechte Aepfelkern in Brot gesteckt eingeben. Dem Bauer gelingts damit, aber zuletzt holt der Tod seinen Gevatter selbst.

Dieselbe Fabel, jedoch mit eigenthümlichen Abweichungen (worunter die beste, daß nicht der Vater, sondern das neugeborene Kind selbst die Doctorgabe empfängt), erzählt Prätorius im Glückstopf 1669. S. 147–149.

Aus heutiger Volkssage aufgenommen, aber weitläuftig behandelt, steht sie in G. Schillings neuen Abendgenossen III. 145–286. Wie bei Ayrer ist nicht der Pathe, sondern der Vater selbst Doctor. Merkwürdig ist der gewiß echte Schluß: der überlistete Tod, um sich zu rächen, führt den Gevattersmann in die Lichterhöhle, für Kinder brennen große, für Eheleute halbe, für Greise kleine. Des Gevatters eignes Lebenslicht ist nur ein kleines Endchen noch; da bittet er den Tod, ein neues anzuzünden, welches aber nicht geht, da eins erlöschen muß, eh ein neues anbrennt; also bittet er, unten anzusetzen, damit es gleich fortbrennen könne. Der Tod thut, als willigte er ein, langt ein großes frisches Licht, versieht es aber absichtlich beim Unterstecken, daß das Stückchen umfällt und lischt. Damit fällt der Gevatter hin und ist todt. (Diese Lichter, woran das Leben gebunden wird, erinnern an den Nornengast und die noch gangbare Redensart vom „Ausblasen des Lichts, der Lebenskerze“ für: umbringen.)

Alles in diesem Märchen weist auf sehr tiefliegende Ideen hin. Der Tod und der Teufel sind die bösen Gottheiten und beide nur eine, wie die Hölle die Unterwelt und das Todtenreich, daher im Märchen vom Schmiedt auch beide nach einander auftreten. Aber der böse heißt wie der gute Gott, Vater und Tatta. Der Gevatter nicht blos Vater, sondern auch Pathe, Goth

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1815). Realschulbuchhandlung, Berlin 1815, Seite LXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_II_355.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)