Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 I 037.jpg

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einen schönen Prinzen zur Welt gebracht hatte, und der König auf der Jagd war, trat sie in der Gestalt der Kammerfrau in die Stube, worin die Kranke lag. „Das Bad ist für euch bereitet, sagte sie, das wird euch wohlthun und stärken, kommt eh’ es kalt wird.“ Sie führte sie darauf in die Badestube; wie die Königin hineingetreten war, schloß sie die Thüre hinter ihr zu, drin aber war ein Höllenfeuer angemacht, da mußte die schöne Königin ersticken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der gab sie ganz die äußerliche Gestalt der Königin und legte sie an ihrer Stelle in das Bett. Der König kam am Abend heim, und wußte nicht, daß er eine falsche Frau habe. Aber in der Nacht – sah die Kinderfrau – trat die rechte Königin in die Stube, sie ging zur Wiege, nahm ihr Kind heraus, hob es an ihre Brust und gab ihm zu trinken, dann schüttelte sie ihm sein Bettchen auf, legte es wieder hinein und deckte es zu. Darauf ging sie in die Ecke wo das Rehkälbchen schlief und streichelte ihm über den Rücken. So kam sie alle Nacht und ging wieder fort, ohne ein Wort zu sprechen.

Einmal aber trat sie wieder ein und sprach:

„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm’ ich noch zweimal und dann nimmermehr.“

und that alles, wie in den andern Nächten.

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1812). Berlin 1812, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_I_037.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2023)