Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1837 V1 068.jpg

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Schwesterchen an der Hand, und sie wollten das Brünnlein suchen. Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe, und hatte wohl gesehen wie die beiden fortgegangen waren, war ihnen nachgeschlichen, heimlich, wie die Hexen schleichen, und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht. Als sie nun ein Brünnlein fanden, das so glitzerig über die Steine sprang, wollte das Brüderchen daraus trinken; aber das Schwesterchen hörte wie es im Rauschen sprach „wer aus mir trinkt, wird ein Tiger; wer aus mir trinkt, wird ein Tiger.“ Da rief das Schwesterchen „ich bitte dich, Brüderchen, trink nicht, sonst wirst du ein wildes Thier, und zerreißest mich.“ Das Brüderchen trank nicht, ob es gleich so großen Durst hatte, und sprach „ich will warten bis zur nächsten Quelle.“ Als sie zum zweiten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterchen wie auch dieses sprach „wer aus mir trinkt, wird ein Wolf; wer aus mir trinkt, wird ein Wolf.“ Da rief das Schwesterchen „Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Wolf, und frissest mich.“ Das Brüderchen trank nicht, und sprach „ich will warten, bis wir zur nächsten Quelle kommen, aber dann muß ich trinken, du magst sagen, was du willst: mein Durst ist gar zu groß.“ Und als sie zum dritten Brünnlein kamen, hörte das Schwesterlein, wie es im Rauschen sprach „wer aus mir trinkt, wird ein Reh; wer aus mir trinkt, wird ein Reh.“ Das Schwesterchen sprach „ach Brüderchen, ich bitte dich, trink nicht, sonst wirst du ein Reh, und läufst mir fort.“ Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein nieder geknieet, hinab

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1837). Göttingen: Dieterich, 1837, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1837_V1_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)