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war. Sie hatte das Gelübde gethan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche, wenn sie zuerst sterbe, sich lebendig mit ihr begraben zu lassen. „Hat er mich von Herzen lieb,“ sagte sie, „wozu dient ihm dann noch das Leben?“ Dagegen wollte sie ein Gleiches thun, und wenn er zuerst stürbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame Gelübde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der Jüngling wurde von ihrer Schönheit so eingenommen, daß er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie anhielt. „Weißt du auch,“ sprach der König, „was du versprechen mußt?“ „Ich muß mit ihr in das Grab gehen,“ antwortete er, „wenn ich sie überlebe, aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte.“ Da willigte der König ein, und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert.

Nun lebten sie eine Zeitlang glücklich und vergnügt mit einander, da geschah es daß die junge Königin in eine schwere Krankheit fiel, und kein Arzt ihr helfen konnte. Und als sie todt da lag, da erinnerte sich der junge König was er hatte versprechen müssen, und es grauste ihm davor, aber es war kein Ausweg: der König hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen, und es war nicht möglich dem Schicksal zu entgehen. Als der Tag kam wo die Leiche in das königliche Gesetz beigesetzt wurde, da ward er mit hinabgeführt, und dann das Thor verriegelt und verschlossen.

Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrath zu

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1837). Göttingen: Dieterich, 1837, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1837_V1_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)