Die Müllerstochter war ein schönes und frommes Mädchen,
und lebte die drei Jahre in Gottesfurcht und ohne Sünde. Als
nun die Zeit herum war, und der Tag kam, wo sie der Böse
holen wollte, da wusch sie sich rein und machte mit Kreide
einen Kranz um sich. Der Teufel erschien ganz frühe, aber er
konnte sich ihr nicht nähern. Zornig sprach er zum Müller „thu
ihr alles Wasser weg, damit sie sich nicht mehr waschen kann!
denn sonst habe ich keine Gewalt über sie.“ Der Müller fürchtete
sich, und that es. Am andern Morgen kam der Teufel[1]
wieder, aber sie hatte auf ihre Hände geweint, und sie waren
ganz rein. Da konnte er ihr wiederum nicht nahen, und sprach
wüthend zu dem Müller „hau ihr die Hände ab, sonst kann ich
ihr nichts anhaben.“ Der Müller entsetzte sich, und antwortete
„wie könnte ich meinem eigenen Kinde die Hände abhauen!“ Da
drohte ihm der Böse und sprach „wo du es nicht thust, so bist
du mein, und ich hole dich selber.“ Dem Vater ward Angst
und er versprach ihm zu gehorchen. Da gieng er zu dem Mädchen
und sagte „mein Kind; wenn ich dir nicht beide Hände abhaue,
so führt mich der Teufel fort, und in der Angst habe ich
es ihm versprochen. Hilf mir doch in meiner Noth, und verzeihe
mir was ich böses an dir thue.“ Sie antwortete, „lieber Vater,
macht mit mir was ihr wollt, ich bin Euer Kind.“ Darauf
legte sie beide Hände hin und ließ sie sich abhauen. Der Teufel
kam zum drittenmal, aber sie hatte so lange und so viel
auf die Stümpfe geweint daß sie doch ganz rein war. Da
mußte er weichen, und hatte alles Recht auf sie verloren.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Teufe
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1837). Göttingen: Dieterich, 1837, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1837_V1_188.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)