Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1843 II 246.jpg

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weinst du?“ Zweiäuglein antwortete „soll ich nicht weinen? weil ich zwei Augen habe wie andere Menschen, so können mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stoßen mich herum, werfen mir alte schlechte Kleider hin, und geben mir nichts zu essen als was sie übrig lassen. Heute haben sie mir so wenig gegeben, daß ich noch ganz hungrig bin.“ Sprach die weise Frau „Zweiäuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege

„Zicklein, meck,
Tischlein deck,“

so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen, und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst so viel du Lust hast. Und wenn du satt bist, und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur

„Zicklein, meck,
Tischlein weg,“

so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden.“ Darauf gieng die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte „ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr,“ und sprach

„Zicklein, meck,
Tischlein deck,“

und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und Löffel, und die schönsten Speisen standen rund herum, und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebetlein her,

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1843). Göttingen 1843, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1843_II_246.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)